Migration, Engagement und Integration

Seite 1: Engagement und Migration

Bürgerschaftliches Engagement

Verantwortung für das Gemeinwesen wächst dann, wenn gesellschaftliche Partizipation und Teilhabe möglich ist. Dazu müssen soziale Ungleichheiten, Strukturen und Haltungen der Ausgrenzung überwunden werden. Dies gilt auch für Strukturen des freiwilligen Engagements, in denen Migrant/innen in manchen Bereichen unterrepräsentiert sind.

Migrant/innen werden als zivilgesellschaftliche Akteure in verschiedenen Handlungsfeldern aktiv und übernehmen Verantwortung in ihrem lokalen Lebensumfeld. Anstelle einer defizitären  Perspektive auf das Engagement von Migrant/innen mit Migrationshintergrund gilt es vor allem, die Ressourcen und Potenziale in den Blick zu nehmen.

Neben dem Engagement in Migrantenorganisationen umfasst das Thema auch das gemeinsame Engagement in interkulturellen Organisationen und Projekten und die interkulturelle Öffnung von ursprünglich deutsch geprägten Vereinen und Organisationen.

Tipp

Definition »Migrationshintergrund« in Deutschland:

»Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.« Im Einzelnen haben folgende Gruppen nach dieser Definition einen Migrationshintergrund: Ausländer, Eingebürgerte, (Spät-) Aussiedler und die Kinder dieser drei Gruppen.
(Statistisches Bundesamt, 2019)

Der Begriff ist  nicht unumstritten, wird hier jedoch mangels einer konsensfähigen Alternative verwendet für Menschen, die durch elterliche oder eigene (Zu-)Wanderungserfahrungen über nationale Grenzen Fähigkeiten und Kompetenzen (z.B. Sprach- und interkultuelle Kompetenzen) erworben haben, aber auch vor besonderen Herausforderungen stehen, ihren Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe zu verwirklichen.

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Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Migrationshintergrund – wieso, woher, wohin? (2020)

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Eine verbesserte Teilhabe von bisher unterrepräsentierten Gruppen und  Möglichkeiten der politischen Mitwirkung für Migrant/innen brauchen auch Strukturen der Beteiligung.

Weitere Informationen auf dem Wegweiser Bürgergesellschaft unter Mitentscheiden – Migration und Integration

Bürgerschaftliches Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund wird allerdings häufig nicht als solches wahrgenommen. Auch wenn es eine große Anzahl von Migrantenselbstorganisationen in Deutschland gibt, ist in der öffentlichen Wahrnehmung wenig bewußt, wie viele gemeinwohlorientierte Aufgaben in der Gesellschaft diese Vereine und Organisationen mit bürgerschaftlichem Engagement übernehmen. Dazu zählen Aktivitäten von der  Hausaufgabenhilfe bis zur Sozial- oder Beratungsarbeit in der eigenen Migrantenszene, vom Engagement in Vereinen bis zur politischen Arbeit in Migrantenorganisationen. Ein großes Engagementpotenzial  wird zudem in einer starken Kultur der Nachbarschaftshilfe und der familiären gegenseitigen Unterstützung deutlich.

Empirisch ist das bürgerschaftliche Engagement von Migrant/innen erst wenig erfasst. Einzelne Aspkte dieses überaus komplexen Gesamtthemas werden aber in Studien und Untersuchungen aufgegriffen.

Menschen mit Migrationshintergrund engagieren sich ebenso wie Menschen ohne Migrationshintergrund aus altruistischen Motiven: sie wollen die Welt im Kleinen mitgestalten und anderen Menschen helfen, wie die Ergebnisse des Freiwilligensurveys 2009 zeigen. Sie engagieren sich auch aus persönlichen Motiven: wollen Freude haben, Geselligkeit erfahren, Neues lernen. Dazu können vor allem in den Migrantenorganisationen integrative und bewahrende Bedürfnisse als migrationssepzifische Erwartungen kommen: Verbesserung der Lebenssituation von Menschen aus den Herkunftsregionen, Hilfe für andere bei der Integration oder die Aufrechterhaltung der eigenen Kultur. Eine Untersuchung zeigt, dass dabei vor allem die intergrativen Erwartungen überragen.

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Ein besonderer Aspekt ist das bürgerschaftliche Engagement für Flüchtlinge und von Flüchtlingen. Weitere Informationen finden Sie dazu hier auf diesem Portal

Um das Gesamtthema von Engagement und Migration durch Vernetzung, Veranstaltungen, Projekte und Forschungsvorhaben auch engagementpolitisch voran zu treiben, arbeiten Mitgliederorganisationen des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement dazu gemeinsam in der Arbeitsgruppe »Migration und Teilhabe«. Ausserdem sind in einer eigenen Themenseite Praxisprojekte, Netzwerke und Plattformen sowie Hinweise zu Fördermitteln und Materialien zusammengestellt.

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Zur Themenseite Migration,Teilhabe, Vielfalt des BBE.

Seite 2: Migrantenorganisationen

Migrantenorgansiationen

Migrantenorganisationen sind zuwanderergruppenspezifische Organisationen und Netzwerke. Das Spektrum der Vereine ist äußert breit. Es reicht von religiösen bis zu politischen, von herkunftskomogenen bis zu herkunftsheterogenen, zielgruppenspezifischen (wie z. B. Frauenvereinen) oder zielgruppenübergreifende Organisationen. Dazu gehören Kultur- oder Sportvereine, Elternvereine, Religionsgemeinschaften oder Verbände von Studierenden oder Unternehmen. Migrantenorganisationen sind somit wichtige zivilgesellschaftliche Akteure, die nicht nur für  Neuzugewanderte eine wichtige Brückenfunktion inne haben.

Tipp

Migrantenorganisationen sind Orte des bürgerschaftlichen Engagements, in denen von der Mitarbeit bei Projekten und Aktionen bis zur kontinuierlichen Vorstandsarbeit alle Engagementformen vertreten sind.

Download

Schultze, Günther / Thränhardt, Dietrich ( Hrsg.): Migrantenorganisationen. Engagement, Transnationalität und Integration. Bonn 2013

Migrantenorgansiationen sind als gesellschaftliche Akteure wichtige Ansprechpartner für den Staat. Die Organisationen arbeiten in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände BAGIV bundesweit zusammen. In dem 1985 gegründeten Zusammenschluss sind derzeit 9 Verbände aus 8 Nationen aktiv. Neben der nationalitätenübergreifenden, gemeinsamen Arbeit und Vertretung setzt sich die BAGIV für das gleichberechtigte Zusammenleben der verschiedenen Minderheiten in und mit der deutschen Gesellschaft ein.

Der Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen (NeMo e. V.) hat auf Bundesebene mehr als 530 Migrantenorganisationen in 14 Städten zu herkunfts-und kulturübergreifenden sowie säkularen Verbünden zusammengeschlossen. Ziel ist es, eine Plattform des Austausches und der bundesweiten Vernetzung, sowie Weiterentwicklung von Kompetenzen zu schaffen.

 

Zur weiteren Förderung, Professionalisierung und Vernetzung mit anderen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen fördert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verschiedene bundesweite Projekte zur Vernetzung und Förderung von Migrantinnenorganisationen und integrativen Projekten, beispielsweise die houses of ressources.

Seite 3: Engagement

Engagement vor Ort

Interkulturelles bürgerschaftliches Engagement findet vielfach vor Ort statt: in gemeinsamen Veranstaltungen, Aktionen oder Gruppen in Stadtteil-, Jugend- oder Kultureinrichtungen. In diesem Engagement nehmen interkulturelle Begegnungen, Austausch und Lernen einen besonderen Stellenwert ein.
 
Interkulturelle Projekte sind auch wesentliche Elemente in zivilgesellschaftlichen Strategien gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung. Das Miteinander der Menschen verschiedener Herkunft, aller Kulturen, Religionen und Identitäten ist im interkulturellen Engagement ein bürgerschaftlicher Beitrag gegen offene, unterschwellige und alltägliche Ausgrenzung und Diskriminierung. Neben den konkreten Projekten vor Ort umfasst das Engagement  zivilgesellschaftlicher Organisationen und Netzwerke auch das politische Engagement zu Fragen von Integration, Migration und Asyl.

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Einige zivilgesellschaftliche Akteure im Engagement gegen Rassisumus und Gewalt

Patenschaftsprojekte

Mentoring- und Patenschaftsprojekte sind ebenfalls oft auf Integration ausgerichtet. Die Schwerpunkte und Ansätze von ehrenamtlichen Patenschaftsprojekten sind sehr unterschiedlich. Sie umfassen die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen beim schulischen Lernen bis zur Begleitung von Auszubildenden oder Familien in Flüchtlingsheimen. Mentoringprojekte sind oft in lokale Netzwerke mit verschiedenen Akteuren, wie Freiwilligenagenturen, sozialen Trägern oder Bildungseinrichtungen eingebunden.

Mit dem Programm »Aktion zusammenwachsen – Bildungspatenschaften stärken, Integration fördern« unterstützt die Bundesregierung Patenschaftsprojekte für junge Menschen mit Zuwanderungshintergrund. Die Vielfalt der Projekte kann in einer Datenbank recherchiert werden.

Interkulturelle Öffnung

Das Thema »Engagement und Migration« führt auch zu der Frage, wie sich die zivilgesellschaftlichen Organisationen der Einwanderungsgesellschaft interkulturell öffnen können und vorhandene Zugangsbarrieren abbauen. Auch wenn dieser Anspruch häufig postuliert wird, zeigt sich dabei noch ein großer Entwicklungsbedarf.

Interkulturelle Öffnung meint die Bereitschaft, sich mit den Organisationsangeboten und –strukturen für erweiterte Zielgruppen wie Migrantinnen und Migranten zu öffnen. Damit stellen sich Vereine und Organisationen auf die heutige, von Migration geprägte Gesellschaft ein. Letztendlich ist das Ziel interkultureller Öffnung, Menschen mit Migrationshintergrund die gleiche Teilhabe an der Organisation wie auch an gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Prozessen zu ermöglichen. Entscheidend dafür ist der Blick für die Ressourcen und Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund und Migrationserfahrungen.

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Einige Beispiele für die interkulturelle Öffnung von Organisationen: