Lobbyregister – Interessenvertretung auf EU-Ebene

Die Europäischen Institutionen stehen in einem ständigen Austausch mit Vertreter/innen von NGOs, Unternehmen, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Sozial- und Umweltverbänden, Denkfabriken, Bürgergruppen etc. Nicht zuletzt mit Hinblick auf die hohe Anzahl von schätzungsweise 25.000 Brüsseler Lobbyist/innen (laut Lobbycontrol) besteht die Notwendigkeit, externe Einflüsse auf die Entscheidungsfindung der Europäischen Union (EU) zu verdeutlichen und unrechtmäßigen oder bevorzugten Zugang zu Institutionen der EU zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund wurde 2011 ein Transparenzregister eingerichtet. Es enthält eine Liste von registrierten Organisationen, die sich verpflichten, den Verhaltenskodex des Transparenzregisters einzuhalten. Das Register ist als Online-Datenbank über die Seite der EU-Kommission öffentlich einsehbar. Aus Gründen der Qualitätssicherung sowie der Transparenz werden zudem jährlich Evaluationsberichte erstellt und online zur Verfügung gestellt.

Allerdings hatte das im Jahr 2011 verabschiedete Register einen unverbindlichen Charakter, weshalb zahlreiche wichtige Akteure nicht aufgelistet wurden. Da zudem keine empfindlichen Sanktionsmöglichkeiten bestanden, fehlten auch bei bereits registrierten Firmen und Organisationen oftmals vollständige und aktuelle Informationen über deren Aktivitäten. Das Lobbyregister wird von einem Sekretariat verwaltet, das stichprobenartig das Einhalten der Leitlinien prüft. Im Fall von Verstößen kann das Sekretariat vorübergehend die Privilegien von Organisationen entziehen. Bei 5.032 Überprüfungen der registrierten Angaben waren laut EU-Kommission im Jahr 2016 in 2771 Fällen Nachbesserungen wegen inkorrekter oder falscher Angaben notwendig.


Trotz der Unverbindlichkeit bildete das erste europäische Transparenzregister mit Einträgen im fünfstelligen Bereich eine umfangreiche Plattform, die Einblicke in den Brüsseler Lobbyismus erleichterte. Bereits 2013 waren laut Angaben der EU-Kommission zwischen 60 und 75 Prozent aller Interessenvertreter/innen mit Sitz in Brüssel erfasst.


Im April 2014 forderte das EU-Parlament die Kommission mit großer Mehrheit dazu auf, noch vor 2017 einen Gesetzesvorschlag für ein verbindliches Lobbyregister vorzulegen. Im gleichen Jahr wurde es für Lobbyist/innen verpflichtend, sich in das Lobbyregister einzutragen, wenn sie sich mit Mitgliedern der Kommission treffen wollen. In Folge dieser Regelung stieg die Zahl der Eintragungen in den folgenden Jahren stark an.


Ende 2016 überarbeitete die Kommission ihre erste Version der »Interinstitutionellen Vereinbarung« von 2011, welche die Grundlage des Transparenzregisters ist. 2021 erfolgte eine weitere Überarbeitung, in der – neben dem Parlament und der Kommission – erstmals der Rat der Europäischen Union einbezogen wurde. Außerdem wurde das sogenannte Konditionalitätsprinzip aufgenommen, nach dem Lobbytätigkeiten in allen EU-Institutionen an die Eintragung in das Transparenz-Register gebunden sind.


Jedoch sieht die »interinstitutionelle Vereinbarung« nach wie vor keine juristische Verbindlichkeit vor. Zwar verzichten Organisationen, die sich nicht registrieren, auf Privilegien – zum Beispiel auf den freien Zutritt zum EU-Parlament, auf das Treffen mit Kommissionsmitgliedern und auf die Teilnahme an Veranstaltungen des Rates der Europäischen Union. Aber jede EU-Institution kann nach dem Konditionalitätsprinzip weiterhin selbst die Regeln für Lobbytätigkeiten festlegen, so dass nur eine de facto-Registrierungspflicht eingeführt wurde.