Herausforderungen der digitalen Öffentlichkeit

Herausforderungen der digitalen Öffentlichkeit

Die Praxis zeigt: Trotz guter Planung und Vorbereitung lässt sich die Kommunikation im Netz nicht kontrollieren und zentral steuern. Damit muss man umgehen lernen. Es ist besser, sich mit den Mechanismen vertraut zu machen und zu wissen, was über einen geredet wird, um so bei Bedarf mitreden zu können. Auch der Umgang mit einem sog. »Shitstorm« muss gelernt sein.

Zeit richtig einsetzen

(Online-)Campaigner/innen ohne Smartphone sind kaum noch denkbar. Neben den E-Mails, die man von unterwegs schnell checkt, verbringen Campaigner/innen heute einen beachtlichen Teil ihrer Zeit (beruflich wie privat) in Apps – ständig wird kommuniziert, konsumiert, kommentiert und produziert. Dabei stoßen wir an Grenzen: der Aufmerksamkeit, der Aufnahmefähigkeit und der Auseinandersetzung mit Inhalten.

Auch wenn das Netz nie schläft, so ist die Arbeitszeit von Campaigner/innen und Social Media-Redakteur/innen eine begrenzte Ressource, die es strategisch sinnvoll einzusetzen gilt.

Die Moderation von Kommentaren kann sehr aufwändig sein. Hier ist es wichtig, genau einzuschätzen, wie viel Zeit dafür reserviert werden soll und mit welchem Ziel. Denn wenn man kommentiert, kann man keine neuen Inhalte vorbereiten. Die Herausforderung ist, eine passende Balance zu finden zwischen der Moderation von alten und der Produktion von neuen Inhalten.

Filter bubbles

Die sozialen Netzwerke haben etwas von Lagerfeuer-Romantik. Auf der eigenen »Timeline« tummeln sich Freund/innen und Gleichgesinnte, die sich alle in derselben »Informationsblase« (Filter bubble) befinden. Algorithmen verstärken diesen Trend noch. Denn sie entscheiden darüber, welche Inhalte man angezeigt bekommt und welche nicht.

Die Macht von Netzmechanismen ist nicht zu unterschätzen. Digitale Unternehmen wie Google, Facebook, Twitter und Co. setzen u. a. auf Algorithmen, um die Kommunikation zu gestalten und zu steuern – dabei versprechen sie ein personalisiertes Angebot zu schaffen. Nach welchen Kriterien diese Algorithmen genau funktionieren, bleibt jedoch ein Betriebsgeheimnis.

Literaturtipp

Eli Pariser: The Filter Bubble. What the Internet is hiding from you. New York, 2011.

Für Organisationen kann der sich selbst verstärkende Resonanzraum einer Filterblase durchaus positiv sein – sie versammeln ihre Unterstützer/innen hinter sich. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sie sprichwörtlich zu den bereits Überzeugten predigen. Je nach Zielsetzung wäre es ggf. besser, die Zweifler/innen, Unentschlossenen und Unentschiedenen zu erreichen. Der erste Schritt um hier weiter zu kommen, ist, sich des Phänomens von Filterblasen bewusst zu sein.

Schreispiralen

Im Netz und vor allem in den sozialen Medien verbreiten sich Nachrichten blitzschnell – egal, ob sie den Tatsachen entsprechen oder nicht. Die auf das Teilen von Informationsfetzen ausgelegte Kommunikation kommt ohne Einordnung und lokalen Kontext aus. Insbesondere Empörung hervorrufende Sprüche werden aufgegriffen und schaffen es nicht selten auch in die klassischen Medien.

Mit demokratischem Dialog und einem abwägenden Diskurs hat das oft nicht mehr viel zu tun. Es geht vielmehr um das Beharren auf dem eigenen Standpunkt. Der Internetaktivist und Autor Sascha Lobo spricht an dieser Stelle von Schreispiralen, die einem Dialog im Weg stehen.

Tipp

Organisationen haben die Wahl, wie stark sie in ihrer Kampagnenarbeit auf Skandalisierung und Emotionalisierung setzen. In einer hochaufgeladenen Stimmung kann Sachlichkeit, fundierte Analyse und Entschleunigung durchaus guttun. Blogs und andere Formate eignen sich dazu. Das kann dazu führen, dass man weniger Menschen erreicht; dafür kann sich die Organisation jedoch langfristig als glaubwürdiger, zuverlässiger und seriöser Ansprechpartner etablieren.

Vanity Metrics

In der digitalen Kommunikation ist fast alles messbar.
Aber auf welche Indikatoren kommt es wirklich an? 

  • Was sagt mir die Öffnungsrate bei E-Mails?
  • Und wie ist das Verhältnis zwischen der Öffnungsrate und den Klicks auf die in einer Mail enthaltenen Links (»Click-Through-Rate«)?
  • Was bedeutet es, wenn ein Facebook-Post eine Reichweite von über 500.000 hat?
  • Was sind Impressions auf Twitter?
  • Ist Teilen mehr wert als kommentieren oder anders herum?

 

Organisationen sollten bei der Auswertung der Zahlen den Fokus nicht zu sehr auf rein quantitative Indikatoren legen. Wenn Organisationen einseitig auf Reichweite setzen, laufen sie Gefahr, die Bindung zu ihren Unterstützer/innen zu verlieren. Was nützt ein großer Verteiler, wenn die Menschen nicht interagieren. Hier sind zivilgesellschaftliche Organisationen noch am Anfang.