Zur Rezeption von CO in Deutschland
Anders als in den USA wurde in Deutschland CO zunächst ausschließlich innerhalb der Sozialen Arbeit rezipiert. Ölschlägel weist darauf hin, dass der Begriff »Community Organizing« in Deutschland erstmals 1910 auftaucht, wobei der Begriff Community nicht als lokale Einheit verstanden, sondern eher im Sinne von Gemeinschaft gebraucht wurde. (1) In dieser frühen Phase hatte CO einen eher appellativen Charakter und meinte Strategien zur demokratischen Änderung der »als unzulänglich empfundenen Ordnung menschlichen Zusammenlebens« (2), was immer das auch sein mochte.
Entwicklungen zur Demokratisierung und Partizipation innerhalb der Sozialen Arbeit sowie Bewegungen zu einer stärkeren Beteiligung benachteiligter Bevölkerungsschichten (Arbeiterbewegung) nahmen ein jähes Ende durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933. Im völlig zerstörten und von den Alliierten besetzten Deutschland nach 1945 wurde versucht, an die Fürsorgestrukturen vor 1933 anzuknüpfen, um das Elend und die Not der Bevölkerung zu lindern. Die in den USA weiterentwickelten Methoden der Case Work und Group Work wurden als Einzelfallhilfe und Gruppenarbeit nach 1945 in die Praxis der Sozialen Arbeit des westlichen Deutschlands eingeführt. Dabei fanden die gesellschaftlichen und strukturellen Unterschiede der beiden Länder wenig Beachtung. Es handelte sich eher um eine oberflächliche Aneignung handlungsbezogener Kenntnisse, ohne sich mit den sozialwissenschaftlichen Grundlagen und Hintergründen auseinanderzusetzen. (3)
Einflüsse aus den USA auf die Soziale Arbeit in Deutschland bestimmten auch die Entwicklung der Gemeinwesenarbeit. Unter der Überschrift »Amerikanische Methoden der Gemeinschaftshilfe« veröffentlichte Hertha Kraus im Jahr 1951 einen Aufsatz über Community Organizing (4). Der Aufsatz gab die Fachdiskussion des Ansatzes des CO innerhalb der Sozialen Arbeit in den USA wieder.
Ehrenamtliche und Sozialarbeiter/innen sollten mit Hilfe der »Gemeinschaftshilfe« das Gemeinwesen beobachten und die Schwachstellen und Brennpunkte erkennen. Es sei wichtig, die Zusammenschlüsse der Menschen, die bereit seien, an der Behebung von Missständen zu arbeiten, zu fördern und mögliche Abhilfen zu planen sowie kapitalkräftige Spender zu fördern. (5)
Dieser Aufsatz sowie die 1955 von Herbert Lattke verfasste ausführlichere Beschreibung des CO als »eine der grundlegenden Methoden« US-amerikanischer Sozialer Arbeit fanden in der Fachwelt allerdings kaum Beachtung, denn »die deutsche Sozialarbeit war noch hinlänglich mit Einzelhilfe und Gruppenarbeit und der Rezeption beschäftigt und konnte mit diesen Gedanken zu CO wenig anfangen« (6).
Die Artikel von Walter Friedländer und L. Mayer-Kuhlenkampff, die nach der »International Conference of Social Work« (1962) veröffentlicht wurden, stellten lediglich eine Beschreibung der Praxis des CO in den USA dar, ohne Vorschläge für eine praktische Umsetzung in Deutschland zu geben. (7) Seit diesem Zeitpunkt wurden CO und Community Development in Deutschland als »Gemeinwesenarbeit« bezeichnet. Gemeinwesenarbeit erhielt als dritte Methode Einzug in die Rahmenlehrpläne der Ausbildungsstätten für Sozialarbeiter/innen. (8) Ölschlägel sieht diese Phase als erste Rezeptionswelle des CO in Deutschland, die sich rein literarisch ausdrückte und in der kaum Anregungen für und Umsetzungen in die Praxis zu finden war. (9)