Repräsentative und aufsuchende Bürgerbeteiligung

Bürgerbeteiligung braucht die Mitwirkung aller relevanten Akteure, um erfolgreich zu sein. In der Praxis zeigt sich allerdings immer wieder, dass Bürgerbeteiligung nur von bestimmten Gruppen der Gesellschaft genutzt wird, zum Beispiel von denen, die ihre Meinung besonders lautstark und eloquent vertreten können. Im Hinblick auf die Responsivität des politischen Systems ist es jedoch wichtig, dass möglichst viele unterschiedliche Menschen und Akteure unserer Gesellschaft in den demokratischen Diskurs eingebunden sind, um gemeinsam gute Lösungsvorschläge für anstehende gesellschaftliche Aufgaben und Herausforderungen zu finden. Diesem Anspruch muss sich auch die Bürgerbeteiligung stellen. Sie muss offen für alle sein, wenn sie ihrem demokratischen Auftrag gerecht werden will. Ansonsten gehen die gefundenen Lösungen in der Regel an den Bedarfen und Bedürfnissen derjenigen vorbei, deren Stimmen im Prozess nicht oder nur eingeschränkt gehört wurden.   

Zu den Qualitätskriterien guter Beteiligung gehört deshalb auch die Wahl geeigneter Methoden und Verfahren. Klug gewählt, tragen sie dazu bei, möglichst viele unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen in einem Beteiligungsverfahren zu versammeln und ihnen Gehör zu verschaffen. Die nachfolgend aufgeführten Beteiligungsmethoden unterstützen in diesem Sinne eine »repräsentative« Beteiligungspraxis. Sie arbeiten zum Beispiel mit aufsuchender Aktivierung, sie zielen per (repräsentativer) Zufallsauswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Generierung von »Mini-Öffentlichkeiten« als Querschnitt der Gesellschaft oder eröffnen Menschen niedrigschwellige Zugänge zu Beteiligung, in dem sie unterschiedliche Fähigkeiten und Kenntnisse adressieren.

Aktivierende Befragung

Die Aktivierende Befragung ist eine in Deutschland vielfach erprobte Methode, die in der Gemeinwesenarbeit entwickelt wurde. Die Einwohnerinnen und Einwohner eines Quartiers oder Stadtteils werden – nach einer Vorankündigung zuhause oder an öffentlichen Orten – nicht nur nach ihren Meinungen und Einstellungen befragt, sondern gleichzeitig angeregt und ermutigt, aktiv für ihre Interessen einzutreten und sich bei der Umsetzung der von ihnen gewünschten Veränderungen zu engagieren.

Bürgerrat

Der Bürgerrat ist eine Form der Zusammenarbeit zwischen Bevölkerung und Politik, die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger einer Gemeinde, einer Region oder eines Landes erarbeiten gemeinsam Lösungen und Handlungsempfehlungen für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen. Bürgerräte sind in aller Regel ein unverbindliches konsultatives Instrument der Politikberatung und verstehen sich als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie.

Fonds und Budgets

Fonds und Budgets stellen als Instrument der direkten Demokratie ausgewählten Zielgruppen (z.B. Bewohner/innen eines Stadtteils, der Schülerschaft einer Schule, den Mieter/innen einer Wohnungsbaugesellschaft, Kindern und Jugendlichen eines Quartiers) finanzielle Mittel zur Verfügung, mit denen sie eigene Projekte und Vorhaben für einen vorgegebenen Zweck entwickeln und selbstbestimmt verwirklichen können. Fonds und Budgets werden genutzt, um vor Ort innovative Ideen und die Selbstorganisation von Engagierten und Betroffenen zu fördern.

Kompetenzwerkstatt

Die Kompetenzwerkstatt setzt nicht an den Defiziten, sondern an den Fähigkeiten und Interessen von jungen Menschen an. Durch ein moderationsgestütztes und aufsuchendes Beteiligungsverfahren werden die Kompetenzen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in einem ausgewählten Sozialraum individuell erfasst. Auf dieser Grundlage können mit den Kindern und Jugendlichen individuelle Vereinbarungen getroffen werden, um ihre Kompetenzen und Talente zu stärken. Das Verfahren ist zudem in der Lage, Impulse für das (eigene) Wohnquartier als Lern- und Erfahrungsraum zu geben.

Planning for Real

Das beteiligungsorientierte Planungsverfahren Planning for Real ermutigt Einwohnerinnen und Einwohner, bei der (Um-)Gestaltung ihrer unmittelbaren Wohn- und Arbeitsumgebung mitzuwirken – sowohl bei der Planung als auch bei der Umsetzung von Maßnahmen. Ein grundlegendes Arbeitsprinzip ist die Verwendung visueller Hilfsmittel. Im Mittelpunkt steht dabei in der Regel der gemeinsame Modellbau. Das Verfahren ermöglicht ein gemeinsames, sach- und lösungsorientiertes Arbeiten von Bewohner/innen, öffentlichen Einrichtungen, von Politik, Verwaltung und Unternehmen einer Gemeinde.

Planungszelle/ Bürgergutachten

Im Rahmen einer Planungszelle erhalten zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger eine Gutachterrolle, in der sie – unterstützt durch den Input von externen Expert/innen – Lösungsansätze für eine vorgegebene Fragestellung diskutieren und abwägen. Die erarbeiteten Empfehlungen werden in einem Bürgergutachten gebündelt. Die Praxis zeigt: Planungszellen sind vergleichsweise aufwändig in der Durchführung, ergeben aber in der Regel qualitativ hochwertige Ergebnisse.