Es gibt zwar verschiedene Berichte zu erfolgreichen Projekten auf Quartiersebene (z. B. BBR 2008, GdW 2010), allerdings zumeist mit einem weitgehend deskriptiven Ansatz, der nicht vertiefend auf die Gründe für das Gelingen von Kooperation eingeht. Es mangelt an gut belegtem Wissen zu Kooperationen auf Quartiersebene – selbst im für die Quartiersarbeit in Deutschland prägenden Programm Soziale Stadt gab es bisher nur eine einzige bundesweite Vergleichsstudie, die schon mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt (BBR 2004). Derweil gibt es in der Praxis durchgehend große Nachfrage nach gesichertem Wissen zu erfolgversprechenden Ansätzen der Kooperation.
Das Forschungsprojekt »Gelingende Kooperationen im Sozialraum« (GeKo) leistet einen ersten Beitrag zur Behebung dieser Wissenslücke. Besonderes Kennzeichen des Projektes ist, dass während der Forschung durchgehend der Dialog mit der Praxis gesucht wurde, um die Forschungsergebnisse möglichst anwendungsnah aufzubereiten. Resultat dieses Dialogs sind die fünf Prinzipien gelingender Kooperation, die am Ende dieses Beitrages vorgestellt werden. Zuvor werden jedoch Begriffe, Forschungsfragen, Methoden und Datenerhebung sowie Forschungsergebnisse beschrieben, um deutlich zu machen, auf welcher Grundlage die fünf Prinzipien entwickelt wurden.
Begriffe
Es ist Aufgabe von Gelingende Kooperationen im Sozialraum, die Faktoren zu untersuchen, die zum Gelingen von Kooperation auf Quartiers-Ebene beitragen. Zu diesem Zweck müssen die Untersuchungsgegenstände, also Kooperation und das Gelingen von Kooperation durch begriffliche Definition genau eingegrenzt werden.
Kooperation
Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde Kooperation wie folgt definiert: Ein Zusammenschluss von Akteuren auf Quartiers-Ebene, die zusammenarbeiten um ein bestimmtes Projekt oder Ziel zu verwirklichen. Diese Definition dient dazu, Kooperation von Netzwerken abzugrenzen, die nur dem Informationsaustausch dienen und keinen konkreten »output« im Quartier erreichen wollen – zentrales Merkmal ist, dass die beteiligten Akteure
Gelingen
Das Gelingen von Kooperation kann wie folgt definiert werden: Eine Kooperation ist gelungen, wenn die Beteiligten Akteure ihre gemeinsamen Ziele erreicht haben und dabei die Zusammenarbeit an sich als positiv bewertet wurde. Zu beachten ist, dass die beiden Aspekte des Gelingens, also Erreichung von Zielen (technisches Gelingen) und positive Bewertung (soziales Gelingen), nicht zusammenhängen müssen. Es ist möglich, dass eine Kooperation ihre Ziele nicht erreicht, aber trotzdem positiv bewertet wird; ebenso ist der umgekehrte Fall vorstellbar. Insofern kann es auch ein teilweises Gelingen geben.
Forschungsfragen
Forschungsfragen
Basierend auf den definierten Begriffen lassen sich zwei Forschungsfragen formulieren:
- In welchen Formen findet Kooperation auf Quartiersebene statt?
- Welche Bedingungen tragen dazu bei, dass Kooperation im Quartier gelingt?
Die erste Forschungsfrage ist bedeutsam, da es aufgrund des Mangels an systematischer Forschung schwierig ist, klare Erwartungen bezüglich der Formen zu formulieren, die Kooperation im Quartier tatsächlich annimmt. Die zu Beginn des Projektes gestellte Annahme, dass Kooperation häufig in Form langfristiger, hochgradig organisierter Projekte stattfindet, hat sich nicht erfüllt (s. u.).
Die Frage nach Bedingungen des Gelingens umfasst potenziell eine sehr große Bandbreite an Rahmenbedingungen und Strategien, so z. B. verfügbare Arbeitszeit der Beteiligten, Finanzierungsmöglichkeiten oder Ausgestaltung der Kooperationsbeziehungen selbst. Finanzielle und personelle Rahmenbedingungen sind allerdings triviale und schon gut belegte Voraussetzungen für Kooperation (z. B. Van Santen und Seckinger 2003). Daher konzentrieren sich die vorliegenden Ausführungen vor allem auf Bedingungen, die in der Ausgestaltung der Kooperationsbeziehungen selbst liegen.
Methoden und Datenerhebung
Die genannten Forschungsfragen wurden bei GeKo durch einen Fallvergleich bearbeitet. Dazu wurden drei benachteiligte Quartiere in Niedersachsen als Fälle ausgewählt und vertiefend untersucht. Der Auswahl lagen drei Kriterien zugrunde: Ob das Quartier Programmgebiet im Bund- und Länderprogramm Soziale Stadt ist, welche Art von Akteur vor Ort zentral für die Quartiersarbeit ist und der lokale Kontext, besonders Größe der Gesamtstadt und lokale Geschichte. Die folgende Tabelle zeigt die drei ausgewählten Quartiere:
Soziale Stadt | Zentraler Akteur | Kontext | |
Hainholz (Hannover) | Ja (seit 2001) | Stadtverwaltung | Großstadt, eingemeindetes Dorf |
Hasport (Delmenhorst) | Nein | Bewohnerinitiative | Mittelstadt, Großwohnanlage |
Stadtfeld (Hildesheim) | Ja (seit 2016) | Verein freier Träger | Großstadt, Kleine Wohnanlage |
Tabelle: Fallauswahl
Die Auswahl der Fälle folgte dem Prinzip des maximalen Kontrastes (Flick et al. 2005, Kelle und Kluge 2010). Das heißt, es wurden drei möglichst unterschiedliche Quartiere verglichen um auf die Quartiersarbeit insgesamt übertragbare Ergebnisse zu erzielen. Der Leitgedanke ist, dass Muster der Kooperation, die sich übergreifend in drei so unterschiedlichen Quartieren zeigen, auch auf andere Fällen übertragen werden können.
- Die drei ausgewählten Quartiere wurden über einen Zeitraum von jeweils circa sechs Monaten mit einer Mischung aus qualitativen und quantitativen Methoden nach der folgenden Vorgehensweise untersucht.
- Eingangs wurden durch Dokumentenanalyse und eine formale, statistische Netzwerkanalyse grundlegende Strukturen der Kooperation im Quartier untersucht. • Im Hauptteil der Untersuchung wurden lokale Akteur/innen mittels Interviews und einer Gruppendiskussion zu ihren Erfahrungen befragt. Dies wurde durch teilnehmende Beobachtung bei Gremien, Arbeitsgruppen etc. ergänzt.
- Jede Fallstudie wurde durch ein Reflektionstreffen abgeschlossen, bei dem die Forschungsergebnisse mit den lokalen Akteur/innen diskutiert und auf Validität geprüft wurden.