Methode

Kreative Werkzeuge für partizipative Demokratie

Mit Forumtheater (FT) als Methode des pädagogisch-politisch motivierten Theaters der Unterdrückten (Boal 2013; Wrentschur 2003, Staffler, 2009) ist zum einen eine spezielle interaktive Aufführungsform gemeint, bei der das Publikum eingeladen wird, sich am Spielgeschehen zu beteiligen, um Lösungs- und Veränderungsideen für einen theatralisch dargestellten Konflikt oder ein soziales Problem auszuprobieren.

Das Publikum kann beim wiederholten Spielen der Szene in erster Linie Rollen ersetzen und Lösungsvorschläge für das Problem oder den Konflikt durchagieren, während die restlichen Schauspieler und Schauspielerinnen auf die Ideen reagieren und improvisieren.

Dadurch werden mögliche Folgen des Handelns unmittelbar sichtbar und erlebbar gemacht – Handeln und Erkenntnis werden in einem solchen dramatischen Labor gemeinsam entfaltet und reflektiert. Forumtheater ist eine grundlegende Form des demokratischen Dialogs in Handlungen. Alle können zu den gezeigten Szenen Stellung beziehen, die Macht des Wortes und/oder der Handlung ergreifen und ihre Veränderungsideen zeigen.

Ein Forumtheaterstück ist Ergebnis eines intensiven ästhetischen wie sozialen Forschungsprozesses in einer Gruppe. Bestimmend ist die gemeinsame Suche nach Handlungs- und Veränderungsmöglichkeiten besonders für belastende, unterdrückende und konfliktgeladene Situationen und Strukturen. Die Theatralisierung und Reflexion von individuellen, subjektiven wie auch kollektiven Erfahrungen mithilfe thea­tralischer Methoden führt zu Verdichtungen in Form von Szenen und Bildern, die auf vielfältige Weise kreativ bearbeitet werden.

Forumtheater versteht sich vom Anspruch her als emanzipatorische und forschende Methode, die Erkenntnis- und Bewusstwerdungsprozesse mit dem Wunsch und der Suche nach Veränderung der persönlichen, sozialen und politischen Wirklichkeit und Verhältnisse verbindet (Wrentschur 2012).

Tipp

Legislatives Theater (LT) ist die Erweiterung des Forumtheaters (FT) zu einem Instrument der partizipativen Demokratie.

Die in den Einstiegen des Publikums zum Ausdruck gebrachten Ideen und Vorschläge für gesellschaftliche Veränderungen und Verbesserungen werden gesammelt, dokumentiert und reflektiert. Sie werden im Hinblick auf die Frage ausgewertet, ob in ihnen deutliche Wünsche und Interessen von Veränderung der Rahmenbedingungen zum Ausdruck kommen und inwieweit sich daraus politische Initiativen für die Veränderung, Neueinführung oder Abschaffung von Maßnahmen, Projekten oder Gesetzen ableiten lassen. Die Ergebnisse dieses Prozesses – oftmals politische Vorschläge und Forderungen – werden den entsprechenden politischen Gremien vorgelegt und kommuniziert.

Das Legislative Theater schafft auf diese Weise Verbindungen zwischen den Anliegen, Bedürfnissen und Interessen der Bevölkerung und politischen Entscheidungsträgern (Boal 1998, Wrentschur 2011). Legislatives Theater verbindet die »kleinen Öffentlichkeiten«, die den Lebens- und Alltagsrealitäten der Menschen nahe stehen, mit der »großen Politik«. Es versucht sich dabei besonders am Entwurf neuer Partizipationsmöglichkeiten für gesellschaftlich und politisch marginalisierte Bevölkerungsgruppen und »zielt durch die Veränderung gesetzlicher Rahmenbedingungen auf die Veränderung politischer Strukturen« (Baumann 2001, S. 156).

Weitere Infos

LT wurde erstmals von 1992 bis 1996 im Stadtparlament von Rio de Janeiro realisiert, als Augusto Boal Stadtrat war; es wurde zu einem einzigartigen Modellprojekt der Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen. Dabei wurden vierzig Gesetzesinitiativen ins Stadtparlament eingebracht, von denen dreizehn verabschiedet wurden (Boal 1998, S. 102 ff.).

Ziele

  • Einen Raum eröffnen, um vielfältige Ideen und Vorschläge für Veränderungen und Lösungen im szenischen Probehandeln zu entdecken und politische Vorschläge zu entwickeln
  • die sprachliche Ebene durch einen ganzheitlichen, körper- und handlungsorientierten Zugang ergänzen
  • Strukturen und Abläufe von Problemen und Konflikten in ihrer Ganzheit sichtbar machen, um emotionale Hintergründe wahrzunehmen und zu beleuchten
  • unterschiedliche Betroffenheiten und Lebensrealitäten kennen lernen und dadurch zur Klärung von Situationen beitragen und gegenseitiges Verständnis fördern
  • Menschen erreichen und beteiligen, die üblicherweise am öffentlichen, politischen, und kulturellen Leben nur wenig partizipieren und sie auf diese Weise zur Artikulation ihrer Wünsche und Interessen und zum politischen Engagement ermutigen
  • kreative und lustvolle Wege und Werkzeuge der Demokratisierung und politischen Beteiligung anbieten und einen Dialog zwischen Politikern und Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen.
Weitere Infos

Während seiner Amtszeit kam Boal seiner Vision von Demokratie sehr nahe: Zuschauende, die sich in Handelnde, Bürgerinnen und Bürger, die sich in Gesetzgeber verwandeln. […] Theater der Unterdrückten machte Politik, nicht nur politisches Theater (Staffler 2009, S. 119 f.).