Kommunikation mit Spender/innen

Wird Ihre Organisation von Spender/innen finanziert? In diesem Fall haben Sie als Projektmanager/in mehr Freiheit, als wenn Sie eine Projektförderung von einer fördernden Einrichtung erhalten. Förderrichtlinien müssen Sie in diesem Fall nicht berücksichtigen.

Viele spendenfinanzierte Organisationen müssen eigenständig Projekte entwickeln und umsetzen. Dabei verwenden sie häufig ein Projektformat, das man Kampagne nennt.

Eine Kampagne besteht aus verschiedenen aufeinander abgestimmten Aktivitäten innerhalb eines definierten Zeitraums, die sich öffentlichkeitswirksam auf ein bestimmtes Thema beziehen. Das Ziel solcher Kampagnen ist nicht nur die Verwirklichung der Ziele einer Organisation, sondern auch die Gewinnung von Spenden oder anderen Formen der Unterstützung.

Große NGOs (Nichtregierungsorganisationen) aus den Bereichen Umweltschutz, Entwicklungszusammenarbeit oder Gesundheit arbeiten auf diese Art und Weise. Ein bekanntes Beispiel ist Greenpeace. Kleine, lokale Projekte, wie die Instandsetzung von Spielplätzen in einer Gemeinde, werden häufig durch Spenden finanziert. Aber auch geförderte Projekte werden manchmal durch Spenden kofinanziert, z. B. in Form einer einmaligen Spendenaktion, die im Rahmen des Projekts stattfindet.

Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Was habe ich als Projektmanager/in damit zu tun? Übernimmt diese Aufgabe nicht die Fundraiserin? Dazu sind zweierlei Dinge zu sagen. Erstens: Wenn Sie dieses Buch lesen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie keine haben. Gerade bei kleinen oder jungen Organisationen werden Projektmanagement, Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit und alle anderen Arbeiten von einzelnen Personen durchgeführt (»in Personalunion«). Zweitens: Fundraising, auch Spenden-Fundraising, ist immer eine Aufgabe der Organisation und nicht der Fundraiser/innen. Und deshalb haben Sie als Projektmanager/­in damit zu tun.

Spender/innen interessieren sich nicht für trockene Geschäftsberichte und auch nicht für nüchterne Fakten. Spender/innen interessieren sich für Geschichten. Sie müssen also Spender/innen nicht von Ihrem Projekt berichten. Sie müssen von Ihrem Projekt erzählen!

So mancher Projektmanager im gemeinnützigen Bereich sagt nun: »Wieso soll ich denn Geschichten erzählen? Ich bin doch kein Märchenerzähler!« Bedenken Sie: Wenn Sie eine professionelle Fundraisingagentur beauftragen, ein Konzept für eine Kampagne zu entwickeln, die mehrere Millionen Euro einbringen soll, dann wird diese Agentur sich intensiv mit dem Storytelling beschäftigen.

Es geht darum, herauszufinden, welche Geschichte Ihre Organisation oder Ihr Projekt erzählen kann? Denn die Profis wissen: Auf die Geschichte kommt es an, wenn Sie die Herzen der Menschen gewinnen wollen. Arbeiten Sie in einem kleineren oder lokalen Projekt, gibt es viele Gelegenheiten, eine Geschichte zu erzählen: auf Ihrer Website, in einem Blog, in sozialen Netzwerken, in einem persönlichen Gespräch oder während einer Präsentation vor großem Publikum. Auch ein Foto kann eine Geschichte erzählen.

Aber was genau ist eine Geschichte? Es gibt eine hübsche kleine Formel, die Ihnen helfen kann, eine Geschichte zu entwickeln: CASE.

C

Character

A

Action

S

Setting

E

Emotion

Character

In Geschichten geht es um Personen. Menschen fällt es leichter, eine Beziehung zu Personen aufzubauen als zu abstrakten Themen. Im Mittelpunkt einer Geschichte stehen also nicht abstrakte Phänomene oder statistische Kennzahlen (wie Schulabbruch, Behinderung oder Armut). Im Mittelpunkt einer Geschichte steht die junge Punkerin Tina, die auf der Straße lebt. Oder Peter, der Jugendliche mit Downsyndrom. Wenn es in Ihrer sozialen Arbeit zufällig um Tiere, Pflanzen oder andere nicht-menschliche Dinge geht, so gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Faktor Mensch in die Geschichte hineinzubringen. Denn in Ihrem Projekt spielen überall engagierte Menschen eine Rolle. Eine andere Möglichkeit ist es, nicht-menschliche Dinge für das Storytelling zu vermenschlichen. Schauen Sie sich einmal einen Walt-Disney-Film an. Dort wimmelt es von Fischen, die Abenteuer erleben, Rehen, die Waisen werden, verliebten Stinktieren oder tollpatschigen Enten. Warum sehen sich so viele Menschen Walt-Disney-Filme an?

Action

Eine Geschichte muss eine Handlung haben. Es muss etwas passieren. Eine Geschichte, die Ihr Projekt bewerben soll, sollte nicht die Komplexität eines Hollywoodfilms oder eines Romans von Dostojewski aufweisen. Sie braucht aber einen kleinen Spannungsbogen. Im gemeinnützigen Bereich bietet es sich an, mit einer Art Vorher-Nachher-Schema zu arbeiten, um die Wirkung Ihrer Arbeit zu veranschaulichen. Tina hat jahrelang auf der Straße gelebt, wohnt aber jetzt dank Ihrer Hilfe wieder in einer eigenen Wohnung. Sie geht wieder zur Schule. Oder: Zuerst wollte kein Arbeitgeber Peter einstellen, aber aufgrund Ihrer Arbeit konnte Peter eine Arbeitsstelle vermittelt werden. Nun verdient er sein eigenes Geld und ist glücklich. Noch einmal: Bitte ermüden Sie Ihr Publikum nicht, indem Sie endlose Geschichten erzählen. Eine gute Geschichte, die ein Projekt veranschaulicht, sollte in ein paar Sätzen erzählt werden können.

Setting

Eine Geschichte braucht einen Ort der Handlung. Sie spielt nicht im luftleeren Raum. Ein solcher Ort kann ein Dorf sein, ein Jugendknast, die Straßen von Berlin oder der Regenwald. Das Setting dient dazu, Farbe in die Geschichte hineinzubringen und die Charaktere in einen Kontext einzubinden. Dabei sagt ein Bild mehr als tausend Worte. Für mich sind Begriffe, wie »Flüchtlingsheim« oder »Unterbringung«, abstrakt. Sehe ich aber ein Bild eines schäbigen Zimmers, in dem eine sechsköpfige Familie lebt, die aus einem Bürgerkriegsland fliehen musste, ist das konkret.

Emotion

Sie haben es schon bei den ersten drei Punkten bemerkt: Geschichten sollen Emotionen erzeugen. Ansonsten ist eine Geschichte langweilig. Menschen, die Sie langweilen, werden Ihr Projekt nicht unterstützen, sondern bei der erstbesten Gelegenheit das Weite suchen. Es mag für Ihre Arbeit entscheidend sein, dass es Ihnen gelungen ist, für Tina eine Maßnahme in Form einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung nach §35 SGB VIII zu beantragen. In einer Geschichte hat diese Information jedoch nichts zu suchen. Erzählen Sie lieber, wie Tina das erste Mal in ihrem Leben Vertrauen zu einer anderen Person fasst und mit ihr gemeinsam einen Kuchen backt. Vielleicht ist der Kuchen misslungen, weil der Zucker mit dem Salz verwechselt wurde. Auch Geschichten, die Menschen zum Lachen bringen, helfen Ihnen dabei, die Herzen von Unterstützer/innen zu gewinnen.

Wichtig: Im gemeinnützigen Bereich hat man es zuweilen mit »schweren« Themen zu tun, wie Elend, Grausamkeit oder Tod. Geschichten, die Sie erzählen, sollten keine unangemessen starken oder negativen Emotionen wecken oder gar »auf die Tränendrüse drücken«. Ein solches Vorgehen verstößt gegen ethische Grundsätze und schadet dem Aufbau einer langfristigen Beziehung zu den Spender/innen. In einer guten Geschichte sind negative und positive Emotionen ausbalanciert. Ein bisschen Nervenkitzel ist erlaubt.

Beispiel

Verliebte Affen

Eine schönes Beispiel für ein erfolgreiches Storytelling ist der »Martin and Lulu Appeal«. Er zeigt, dass eine kleine Organisation mit geringen Ressourcen beachtliche Fundraisingerfolge erzielen kann, wenn die Geschichte stimmt. Im »Owl and Monkey Haven« in Newport, England, lebte 2010 ein männlicher Weißschulterkapuziner, eine Primatenart aus der Gattung der Kapuzineraffen. Es handelte sich um das letzte Exemplar seiner Art in England. Der Owl and Monkey Haven strebte an, ein weibliches Exemplar aus Frankreich zu importieren. Die Zusammenführung der Affen war allerdings nicht ganz einfach: Der weibliche Affe musste fachgerecht transportiert werden, wozu eine mehrmonatige Quarantäne gehörte. Weiterhin wollte der Haven ein neues Gehege bauen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 23.000 Britische Pfund (umgerechnet etwa 27.000 Euro). Auch wenn die Mitarbeiter/innen des Haven behaupten, dass Sie keine Fundraiser/innen seien, taten Sie genau das, was Fundraiser/innen tun: Sie erzählten eine Geschichte – eine Liebesgeschichte. Das Männchen Martin ist ein einsamer englischer Kapuzineraffe, der sich nach Gesellschaft sehnt. In Frankreich lebt das einsame Weibchen Lulu. Sollten diese zwei nicht vereinigt werden? Aus der Geschichte entstand der Martin and Lulu Appeal. Die Kampagne kam mit einem minimalen Budget aus und basierte überwiegend auf sozialen Medien und viel Engagement. Die erforderlichen Spenden kamen schnell zusammen, und noch besser wurde die Geschichte durch ein Happy End: der Geburt von Baby Malou im Jahr 2013.

Übrigens: Storytelling ist nicht nur eine Voraussetzung für erfolgreiches Spenden-Fundraising. Es ist für gemeinnützige Organisationen und Sozialunternehmen generell ein wichtiges Werkzeug. Sozialunternehmen stehen weniger Ressourcen zur Verfügung als den großen Unternehmen, gegen die sie antreten. Letztendlich handelt es sich um den Kampf von David gegen Goliath. Und Storytelling ist eine von Davids wichtigsten Waffen in diesem ungleichen Kampf. Denken Sie immer daran: Menschen sind bereit, für eine gute Geschichte zu bezahlen.