Problemanalyse, -abgrenzung

Akzeptieren Sie niemals eine ungeprüfte, von außen vorgegebene Problemdefinition. Behalten Sie sich vor, das zu bearbeitende Thema »vorläufig« oder eine »Problem-Hypothese« zu nennen, die erst nach einer Prüfung bestätigt ggf. aber auch geändert werden muss. Wenn es richtig ist, dass in einer komplexen Welt alle Elemente in einem vernetzten Zusammenhang stehen, und es auch richtig ist, dass es sehr schwer ist, einen vernetzten Zusammenhang in seiner Ganzheit zu erkennen, dann kann man sich nicht mit einem ersten oder oberflächlichen Eindruck zufrieden geben, der auf ein »Problem« hindeutet. Es könnte ein falscher Eindruck sein, der z.B. nicht die Ursache, sondern die Wirkung eines Vorganges ist oder die Nebenwirkung einer Hauptwirkung oder die Folge eines ganz anderen Vorganges.

Da ein Problem ja nicht dann erst beginnt, wenn wir es als solches erkennen oder bezeichnen, sondern unerkannt schon vorher da und wirksam war, und da ein Problem nicht dann endet, wenn wir aufhören, darüber nachzudenken, sondern noch lange nachwirkt und Folgen und Nebenwirkungen zeigt, ist auch der Zeitpunkt, Zeitablauf und die Entwicklungsdynamik eines »Problems« wichtig. Ein großes, aber auslaufendes, sich abschwächendes Problem erledigt sich evtl. sogar durch Liegenlassen und Nichtbeachtung, was bei einem noch sehr kleinen, sich aber explosionsartig aufbauenden Problem eventuell fatal wäre. Eine falsche oder verzerrende Problembezeichnung führt aber auch auf eine falsche Lösungsfährte, gibt ungeeignete Denkmuster vor, engt das Lösungsspektrum ein, macht zumindest aber unnötige Arbeit.

Nehmen Sie sich deshalb ausreichend Zeit, das benannte Problem erst zu analysieren und seine Komplexität zu erfassen, mit der Freiheit, es ggf. abzuwandeln oder gar neu zu definieren. Die idealen Arbeitsschritte in dieser 1. Phase lauten:

  • Vorläufige Problemdefinition übernehmen.
  • Sammlung von vielfältigen Informationen zum »Problem« und Beschreibung der Ausgangssituation aus verschiedenen Blickwinkeln.
  • Nach Abwägung der Informationen unter 2., (Neu-)Formulierung des Problems und seiner Abgrenzung.

Vorläufige Problemdefinition übernehmen. Sammlung von vielfältigen Informationen zum »Problem« und Beschreibung der Ausgangssituation aus verschiedenen Blickwinkeln. Nach Abwägung der Informationen unter 2., (Neu-)Formulierung des Problems und seiner Abgrenzung.

Als methodische Hilfen zu den Schritten 2. und 3. sei u.a. auf die nachfolgend beschriebenen Methoden: Kartenabfrage, W-Fragetechnik und Problembeschreibung aus verschiedenen Blickwinkeln und Re-Definition verwiesen.

Eine umfangreichere Prüfung des Problems inklusive einer Ermittlung des vernetzten Zusammenhanges und der Dynamik des Systems bietet der methodische Vorschlag des vernetzten Denkens, der in diesem Rahmen aber nicht vertieft werden kann.

Wie außerordentlich wichtig die gründliche Problemanalyse und -abgrenzung für die kreative Lösungssuche ist, zeigen die Beispielfälle für Denk-Muster. Je nachdem, ob man ein »Problem« baulich, technisch, organisatorisch, finanziell, verhaltensmäßig, sozial usw. versteht, kann derselbe Sachverhalt ganz verschieden aussehen und andere Lösungen ermöglichen.

Beispiel

Frage an Radio Eriwan: »Wie bekämpfe ich am besten die Unkräuter in meinem Garten?«
Antwort: »Machen Sie sie zu Ihren Lieblingsblumen!«

Als weiteres Beispiel mag das sog. »Überbevölkerungs«-Problem dienen. Versteht man es zahlenmäßig als Wachstum an Menschen, liegt das Problem in den Ländern der Dritten Welt mit ihren hohen Geburtenraten. Versteht man es jedoch verbrauchsmäßig als Anstieg des Rohstoffverbrauches, liegt es plötzlich in den Industriestaaten mit ihrem verschwenderischem Lebensstandard. Ernähren könnte die Erde noch viel mehr Menschen (Verteilungsproblem und Problem des gerechten Handels), die Rohstoffe und Belastung durch Schadstoffe sind jedoch begrenzt. Je nachdem, wer wie das »Problem« definiert, wird über ganz unterschiedliche Themen gesprochen und die vorgeschlagene Problemlösung durch Pille und Kondom müsste vielleicht nicht nur für die Menschen in der Dritten Welt, sondern auch für die Autofabriken, Kraftwerke und Müllberge der Ersten Welt gefordert werden.

Abschließend noch eine wichtige Regel für diese Kritikphase: »Kritik an bisherigen Entwicklungen nur an Sachen und Zuständen üben, nicht an Personen - schon gar nicht an Anwesenden«.