GWA muss politisch arbeiten

Gemeinwesenarbeit muss politisch arbeiten

Vielfalt gehört zur Alltags- und Lebensrealität in dieser Gesellschaft. Laut dem Mikrozensus 2014 des Statistischen Bundesamts haben 16,3 Millionen Bewohner/innen einen Migrationshintergrund – das macht 20 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Darunter sind 5,7 Millionen Kinder. 61,1 Prozent der Bewohner/innen mit Migrationshintergrund lebten 2014 in städtischen, 12,3 Prozent in ländlichen Regionen. Bewohner/innen mit Migrations- und Fluchtbiografie und deren Nachkommen sind fester Bestandteil dieser Gesellschaft. Diese Gesellschaft setzt sich auch aus ihren Lebenswelten zusammen.

GWA kann eine Antwort auf diese Vielfalt und die gegenwärtige Zuwanderung und die damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen geben. Sie führt kein Nischendasein mehr. Sie wird gehört. Denn die GWA-Grundpfeiler Partizipation, Inklusion und Solidarität werden in dieser Konstellation zunehmend auch von anderen Bereichen und Disziplinen eingefordert. GWA kann in diesen Zusammenhängen interdisziplinäre Räume für einen kritischen Migrationsdiskurs schaffen und dazu beitragen, den hegemonialen Integrationsdiskurs zu durchbrechen. Sie kann sich mehr denn je als »Menschenrechtsprofession« positionieren.

Die veränderte Zuwanderung von Geflüchteten seit 2015 bietet Gelegenheit, mit Blick auf die Geschichte von GWA, kritisch das eigene Selbstverständnis zu reflektieren. Sie bietet Gelegenheit sich wieder der Wurzeln und der Aufgaben von GWA in der Tradition vom Hull House (Jane Addams) zu erinnern, etwas zu wagen und gerade jetzt an den Verhältnissen anzusetzen.

Tipp

Das bedeutet keine soziale Arbeit ohne politische Arbeit.

Als politische Aktivistin und Gemeinwesenarbeiterin vereinte Jane Addams in ihrem Handeln und Wirken diese beiden Felder (Götze 2005 & Weinbach 2003). Und kein anderes Thema wie das der »steigenden Mieten« zeigte bislang so deutlich die Notwendigkeit der Verschränkungen sozialer und politischer Arbeit in der Gemeinwesenarbeit. In Städten wie Hamburg und Berlin haben sich verschiedene zivilgesellschaftliche Akteur/innen zu Stadt(-teil-)bündnissen, z. B. dem Berliner Ratschlag, dem Bündnis »Solidarische Stadt«, dem Bündnis »Zwangsräumung verhindern« oder dem Hamburger »Recht auf Stadt«-Netzwerk, zusammengeschlossen.

Mit Slogans wie »Keine Profite mit der Miete« oder »Hoch mit den Löhnen, runter mit den Mieten « positionieren sie sich gegen eine neoliberale Stadtpolitik. Die Solidarisierung dieser Initiativen und Netzwerke mit Forderungen von Geflüchteten u. a. um dezentrale, menschenwürdige Wohnformen zeigt auf, dass kein »Flüchtlingsproblem«, sondern ein Wohnungsproblem existiert (Recht auf Stadt-Netzwerk, Plenum-Erklärung 2016).

In diesen Zusammenhängen haben sich z. B. in Hamburg und Berlin GWA-Ansätze gebildet, in denen Gemeinwesenarbeiter/innen sich nicht auf ihre intermediäre Rolle beschränken. Sie treten in mietenpolitischen Bündnissen oder Bewegungen als politisch handelnde Akteur/innen auf, steuern Inhalte bei, organisieren Aktionen und Proteste mit und zeigen Haltung. Sie sind Teil dieser Bündnisse.