Partizipationsförderung in Hildesheim

Wichtig

Laufzeit: seit 2015
Teilnehmende: Bewohner/innen, diverse Institutionen und Vereine im Quartier, Studierende BA Soziale Arbeit
Finanzierung: Aktion Mensch, Land Niedersachsen, Stadt Hildesheim und Johannishofstiftung

Projektbeschreibung

Für Bewohner/innen von Quartieren, die durch Migration und Marginalisierung geprägt sind, ist es besonders wichtig, geeignete Möglichkeiten vorzufinden, die es ihnen gestatten, ein vielfältiges Zusammenleben vor Ort auszuhandeln und stärkeren Einfluss auf die Gestaltung der Wohn- und Lebensbedingungen zu erlangen. Doch werden gerade diese Bewohner/innen von herkömmlichen Beteiligungs- und Austauschangeboten kaum erreicht oder sogar strukturell von diesen ausgeschlossen. Es ist daher sinnvoll, die Bewohner/innen in ihrem unmittelbaren Wohn- und Lebensumfeld aufzusuchen und sie als Teil des Quartiers anzusprechen – und nicht vordergründig über ihre Herkunft oder ihren sozialen Hintergrund. Auf diese Weise lassen sich nicht nur ihre verschiedenen Themen und Sichtweisen erfassen. Es können auch Kenntnisse über die unterschiedlich verteilten Teilhaberessourcen erlangt werden.

Hiervon ausgehend haben die Gemeinwesenarbeit in der Hildesheimer Nordstadt und eine ortsansässige Hochschule einen langfristigen, lernenden Prozess der lokalen Partizipationsförderung initiiert, bei dem die Teilhaberessourcen der Bewohner/innen unablässig ausgelotet werden, um vorhandene Teilhabestrukturen und -angebote in geeigneter Weise zu vernetzen und anzupassen – oder gegebenenfalls neu zu schaffen.

Mit einer fortwährend weiterentwickelten Kombination von Techniken der »aktivierenden Befragung« (K. Lewin, A. Seippel) und der »aktivierenden Gespräche« (S. D. Alinsky) werden im direkten Kontakt an der Wohnungstür systematisch Beziehungen aufgebaut und übergreifende Interessenlagen im Quartier identifiziert. Die vielfältigen Interessen der Bewohner/innen werden im Rahmen von Stadtteilversammlungen thematisiert und in bestehenden oder neuen Projektgruppen verfolgt. Hierfür schaffen die Gemeinwesenarbeit und Studierende der Sozialen Arbeit die erforderlichen organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen und vermitteln zwischen Interessierten und entsprechenden Projektgruppen.

Reflexion des Projektes

Der Ansatz, neben spezifischen Initiativen mit Migrant/ innen und Marginalisierten, an einer übergreifenden lokalen Beteiligungskultur zu arbeiten, erweist sich als sehr vielversprechend: Allein im Verlauf eines Jahres konnten über 140 Befragungen bzw. Gespräche durchgeführt und zwei Stadtteilversammlungen angeboten werden, die von etwa 60 Bewohner/innen besucht wurden und aus denen sechs thematische Projektgruppen hervorgingen. Es entstehen hierdurch anpassungsfähige, aber zugleich verlässliche Strukturen, die insbesondere Migrant/innen motivieren können, sich jenseits ihrer kulturellen oder religiösen Gemeinschaften mit ihren Möglichkeiten und Interessen einzubringen und an der Gestaltung der örtlichen Lebensverhältnisse teilzuhaben.

Aus der konsequenten Thematisierung von sozialer und kultureller Vielfalt als Normalität im Quartier resultieren überdies wertvolle Lernprozesse, die sich nicht allein auf die Bewohner/innen beschränken. Denn die Besonderheit des Vorgehens liegt zum einen in der Prozessorientierung zur Überwindung der üblichen Projektlogik und auf dem Fokus einer vielfältigen lokalen Beteiligungskultur, zum anderen in der klugen Verknüpfung zwischen Lebenswelt und Lehre. Ein großer Teil der zukünftigen sozialpädagogischen Fachkräfte hat bereits in der Studieneingangsphase die Gelegenheit, sich in die gemeinwesenarbeiterische Praxis einzubringen und sich im Rahmen partizipativer Praxisforschung mit einem Quartier zu beschäftigen, in dem die Pluralität an Ansprüchen, Lebensentwürfen und Weltanschauungen noch wachsen wird.

Selbstverständlich wäre es wünschenswert, noch mehr Bewohner/innen die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit ihren Interessen in die gemeinsame Gestaltung ihres Quartiers einzubringen. Aber eben hierin liegt ja das Ziel des langfristig angelegten Prozesses. Für die Übertragbarkeit des Vorgehens scheint vor allem die Frage nach der Sicherung der Kontinuität und der Vertretbarkeit des organisatorischen Aufwandes relevant zu sein. Denn im Hinblick auf die Herausforderungen und die Sozialstruktur ähnelt die Hildesheimer Nordstadt vielen randständigen Quartieren.