Die vorausgegangenen Kapitel haben bereits grundlegende Informationen rund um die Aktivierende Befragung geliefert. Im Folgenden wollen wir diesen Rahmen mit praktischen Tipps füllen, die sich im Laufe der langen Geschichte der Aktivierenden Befragung für uns herauskristallisiert haben. Wir orientieren uns dabei an den acht Phasen der Aktivierenden Befragung. Anmerken wollen wir, dass alle Tipps aus einer jeweils sehr spezifischen Praxis vor Ort resultieren. Da jede Aktivierende Befragung in der Umsetzung Herangehensweisen erfordert, die der Situation vor Ort entspringen, können die Tipps lediglich Anregungen geben. Für die Tipps gilt das Motto: »Wenn das so gemacht wird, dann könnte das Folgendes bewirken« . Wir haben uns – um Langatmigkeit und Wiederholungen zu vermeiden – für prägnante Formulierungen entschieden und auf lange Erklärungen verzichtet.

Tipps zu Phase 1: Formulierung eines Vorhabens

  • Wer unter den Beteiligten den Unterschied zwischen einer Aktivierenden Befragung und einer Repräsentativen Befragung klarstellt, kann Missverständnissen vorbeugen.
  • Wenn eventuellen Auftraggeber/innen und denjenigen, die eine Aktivierende Befragung finanzieren, vorher klar dargelegt wurde, dass das Ergebnis nicht vorher festgelegt sein darf, sondern offen sein muss und es im Entscheidungsbereich der aktivierten Menschen liegt, was sie mit den Ergebnissen machen wollen, kann man sich im Vorfeld konfliktfreier als nach einer Befragung über das Partizipationsverständnis verständigen.
  • Es empfiehlt sich, den thematisch offenen Arbeitsauftrag und das Partizipationsverständnis schriftlich festzuhalten. Nicht selten bekommen Angestellte, wenn die aktiven Bürger/innen unliebsame Themen aufgreifen, Ärger mit Ihrem Arbeitgeber. Dann ist es gut, auf schriftliche Vereinbarungen verweisen zu können, die beinhalten, Bürger/innen zu aktivieren, ohne die Themen zu selektieren (mit der Ausnahme: dort wo Menschenrechte beschnitten werden, unterstützen wir selbstverständlich nicht).
  • Vermutungen festzuhalten heißt, auch sich selber gegenüber ehrlich zu sein, denn Vorurteile hat jede/r. Das Festhalten von Vermutungen ermöglicht das Hinterfragen von Vorurteilen. Außerdem kann es rückwirkend den Prozess deutlich machen: Am Anfang dachten wir so – am Ende ...
  • Es ist sinnvoll, die Ressourcen der im Stadtteil aktiven Institutionen abzuklären bzw. sie zu gewinnen z.B. im Rahmen der Voruntersuchung (Zeit für Beteiligung an der Befragung; Räume; Equipment; Bereitschaft, schriftliche Vorlagen zu erstellen). Zudem gilt es, die Entscheidungskompetenzen zu klären. Es ist nicht sinnvoll alle Akteure mit »Sitz und Stimme« in einer großen Projektgruppe zusammenzubringen. Eine kleine Projektgruppe kann eher handlungsfähig bleiben. Viele mit ins Boot zu nehmen, heißt nicht alle ans Ruder zu lassen.

Tipps zu Phase 2: Voruntersuchung, Analyse und Auswertung

  • Wer sich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Viertel bewegt, kann schon im Vorfeld einen ersten Eindruck vom Leben dort einfangen.
  • Gespräche beim Einkaufen, an der Bushaltestelle oder bei Festen (Schützenfest, Pfarrfest, Kindergarten- oder Schulfeste) sind gute Anlässe, um zu erleben, welche Schlüsselpersonen es dort gibt, um wen oder was sich Kritikpunkte, aber auch Wohlgefallen ranken. Auch die Stadtteilzeitungen bzw. -beilagen bieten wichtige Hinweise auf mögliche Themen und Schlüsselpersonen.
  • Voruntersuchungen sind wichtig, weil sie wie ein Probelauf sind: man merkt dann zum Beispiel wie die Fragen »ankommen« , man bemerkt die eigenen Stolpersteine im Gespräch (z.B. durch Stichpunkte zu lenken, anstatt zuzuhören eine Diskussion anzufangen usw.) und man bekommt ein Gespür, wann Übersetzungen bzw. zweisprachige Interviewer/innen gebraucht werden.
  • Es ist empfehlenswert vorher genau zu überlegen, welche Daten wofür benötigt werden und auch den zeitlichen Umfang der Arbeit zur Datenerforschung zu beschränken. Sonst kann es leicht ein endloses Unterfangen werden, weil es natürlich immer noch neue »interessante« Daten auszugraben gibt.

Tipps zu Phase 3: Bewertung und Entscheidung, Konsequenzen aus der Auswertung

  • Stadtplanerische Wohnquartiere entsprechen in der Regel nicht dem Gefühl und den Kontaktnetzen der Menschen. Der Zuschnitt des Quartiers, in dem die Aktivierende Befragung durchgeführt wird, sollte daraufhin überprüft werden, ob er dem Lebensgefühl und den realen Lebensverhältnissen der Menschen dort entspricht. Zur Aktivierung sind Kleinräumigkeit und gewachsene Bezüge auf Grund von ähnlichen Interessenlagen unerlässlich.
  • Wenn eine Aktivierende Befragung als Einstieg in eine längerfristige Gemeinwesenarbeit oder ein Quartiermanagement gewählt wird, ist es sinnvoll, zunächst ein Gebiet zu wählen, in dem die Aktivierungsbereitschaft vermutlich hoch ist. Durch einen gelungenen Start mit offensichtlichen (im wahrsten Sinne des Wortes) und öffentlich wirksamen Aktionen kann das Vertrauen in Veränderungsprozesse auch bei solchen Bewohner/innen gesteigert werden, die in Gebieten mit eher resignativer Stimmung wohnen. Erst im nächsten Schritt geht es dorthin.
  • Für die Auswertung der Voruntersuchung ist es sinnvoll, Kriterien aufzustellen, an denen erkennbar ist, ob die geplante Aktivierung nach Zielbestimmung und räumlicher Eingrenzung sinnvoll erscheint. Kriterien können u.a. sein erkennbare Potenziale, Veränderungsdruck. Dabei geht es um die Rückkopplung zum Anfangsvorhaben: Ändert sich die Zielrichtung? Bleibt der Arbeitsauftrag? Stimmt der Zeitplan? Sind die Gebietsgrenzen sinnvoll? Ist ein besonderes methodisches Vorgehen erforderlich?