Ein Jahr Europäische Bürgerinitiative

Seit gut einem Jahr ist es den Bürgerinnen und Bürgern der Europäischen Union möglich, über die Europäische Bürgerinitiative (EBI) Einfluss auf die europäische Politik zu nehmen. Nach einem Jahr im Praxistest zeigt sich: die Hoffnungen auf ein neues Zeitalter der Bürgerbeteiligung in Europa haben sich nur zum Teil erfüllt. Um Europa umfassend zu demokratisieren, sind mehr Anstrengungen vonnöten, als die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative.

Ein Blick auf die Internetseite der Europäischen Union zeigt: Momentan sind 14 aktuelle Initiativen europaweit am Start. Darunter sind Initiativen zur Schulbildung und zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ebenso wie eine europäische Bürgerinitiative für Medienpluralismus. Die Frist zur Mitzeichnung läuft bei elf Initiativen Ende des Jahres aus. Die magische Grenze von einer Million Unterschriften wurde bisher nur von der Initiative »Wasser ist ein Menschenrecht – Right 2 Water« erreicht, die bislang sogar von mehr als 1,3 Mio. Menschen unterstützt worden ist. Einziger Schönheitsfehler: die Unterschriften stammen nicht wie vorgeschrieben aus einem Viertel der Mitgliedsstaaten. Erfolgreiche EBIs müssen vom Parlament wie von der Kommission angehört werden. Anschließend prüft die Kommission, ob und ggf. in welcher Weise sie dieses Anliegen am besten umsetzen kann.

Im Alltag haben die Initiativen nach wie vor mit einer ganzen Reihe von technischen und administrativen Hindernissen zu kämpfen. So ist beispielsweise die von der Kommission entwickelte Software für die Online-Sammlung fehleranfällig und für die individuellen Bedürfnisse der Initiativen nicht anpassbar. Die Sicherheitsstandards für die Online-Systeme sind so hoch angesetzt, dass viele Initiativen die Kosten der verpflichtenden Zertifizierung nicht tragen können. Zudem sind die Formulare für Unterschriften auf Papier in einigen Mitgliedstaaten unnötig kompliziert und unübersichtlich.

Bei Gerald Häfner, Mitinitiator der Europäischen Bürgerinitiative und im Europaparlament Berichterstatter für die EBI, kommt angesichts des ersten Jahrestages »keine Feierstimmung« auf. Er kritisiert, dass sich »manche Mitgliedsstaaten mehr mit dem Errichten als dem Abbauen von Barrieren« beschäftigen. Dies stehe jedoch im Gegensatz zur ursprünglichen Absicht: »Das Europäische Parlament wollte ein einfaches und wirkungsvolles Instrument der Bürgermitsprache, keinen Hindernislauf für zunehmend frustrierte Organisatoren.« Er kritisiert zudem, dass »die meisten Bürgerinnen und Bürger von ihrem neuen Beteiligungsrecht noch nie etwas gehört« hätten. Er fordert vor diesem Hintergrund die Spitzen der EU-Institutionen auf, »das Jahr der Europäischen Bürgerinnen und Bürger zum Anlass zu nehmen, in einem gemeinsamen, öffentlichkeitswirksamen Auftritt die Bürger/innen über ihr neues Mitgestaltungsrecht zu informieren« und ihnen deutlich zu machen, dass die Europäische Bürgerinitiative »eine ausgezeichnete Möglichkeit darstellt, die Tagesordnung der europäischen Gesetzgebung mitzubestimmen.« Die EU-Institutionen müssten ihre Verantwortung für den Erfolg der EBI ernster als bisher nehmen. Das schließe auch mehr Personal und eine bessere Finanzierung der Infrastruktur sowie mehr Unterstützung für die Initiativen ein.

Welche Chancen sich mit der EBI für ein demokratischeres Europa verbinden und was noch getan werden muss, um Europa umfassend zu demokratisieren, lesen Sie in unserem Gespräch mit Gerald Häfner (MdEP) zur Einführung der Europäischen Bürgerinitiative: »Europa gelingt nur mit den Bürgerinnen und Bürgern« (PDF)

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