eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 9/2024 (27.09.2024)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Engagement von Unternehmen, Wirtschaft & Corporate Citizenship
- Publikationen
- Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft: Anspruch und Wirklichkeit
Seit über 20 Jahren setzen sich verschiedene Akteure aus Wissenschaft und Praxis für bessere staatliche Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft in Deutschland ein. Auch die aktuelle Bundesregierung hatte sich im Handlungsfeld viel vorgenommen, doch trotz der Ankündigungen im Koalitionsvertrag von 2021 hat sich an der Situation kaum etwas geändert. Der neue Sachstandsbericht des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft unterstreicht vor diesem Hintergrund die Dringlichkeit einer Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, beleuchtet die Bedeutung der Zivilgesellschaft und liefert wertvolles Material für notwendige Diskurse in Politik, Medien und Öffentlichkeit.
Der Bericht im Wortlaut (PDF)
Studie: Sportvereine in Deutschland suchen Ehrenamtliche
Sportvereine in Deutschland stehen weiterhin im Zentrum des gesellschaftlichen Zusammenlebens und fungieren als wichtiger Integrationsanker, insbesondere im ländlichen Raum. Zugleich fällt es Sportvereinen immer schwerer, Ehrenamtliche zu gewinnen. Dies sind zentrale Ergebnisse einer neuen Studie, die auf einer Sonderauswertung des ZiviZ-Surveys 2023 im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) basieren. Die Ergebnisse zeigen: Sportvereine machen 22 Prozent aller zivilgesellschaftlichen Organisationen aus. In keinem anderen Feld – ob Bildung, Kultur oder Soziales – verorten sich mehr Organisationen in Deutschland. Gegenläufig ist allerdings der Trend bei der Gesamtzahl der Sportvereine. Die ZiviZ-Studie zeigt, dass der Anteil der Sportvereine an allen zivilgesellschaftlichen Organisationen seit 2012 von 25 auf 22 Prozent gesunken ist. Im Vergleich zu anderen Engagementfeldern berichten Sportvereine zudem besonders häufig von Problemen bei der Gewinnung von Freiwilligen. 27 Prozent der Vereine verzeichnen zwischen 2017 und 2022 einen Rückgang der Engagierten, während nur 17 Prozent von einem Anstieg berichten. Besonders herausfordernd ist die Gewinnung von Personen für dauerhafte Engagements und ehrenamtliche Leitungs- und Führungspositionen: Nur 13 Prozent der Vereine geben an, dass ihnen dies leichtfällt.
Die Studie im Wortlaut (PDF)
DKHW: Umfrage zur Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen
Kinder und Jugendliche in Deutschland bewerten ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten bei Entscheidungen, die sie betreffen, als ausbaufähig – sowohl im familiären Bereich, als auch in den Schulen. Das ist ein Ergebnis des 2. Kinderrechte-Index des Deutschen Kinderhilfswerks (DKHW), der den Stand der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in verschiedenen Lebensbereichen von Kindern und Jugendlichen und den damit verbundenen Politikfeldern in den deutschen Bundesländern misst und evaluiert. Demnach können 57 Prozent der Kinder und Jugendlichen in ihren Familien häufig mitbestimmen, in Schulen sind es hingegen nur noch 29 Prozent. Für 24 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die Mitglied in Vereinen sind, gehört Mitbestimmung dort häufig zum Alltag. Dies gilt ebenso für 22 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die Freizeiteinrichtungen wie Jugendzentren oder Jugendclubs nutzen. Die Mitbestimmung bei kommunalen Entscheidungen ist hingegen auf einem »katastrophalen Niveau«: Hier geben nur 5 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, dass sie häufig bei Entscheidungen mitbestimmen können, die sie betreffen.
Studie: Ein Gesellschaftsdienst für alle
Wie und was kann ein Gesellschaftsdienst zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen? Seit 2021 beschäftigt sich die Hertie-Stiftung mit der Einführung eines sog. Gesellschaftsdienstes und hat dazu zwei Machbarkeitsstudien vorgelegt. Im Kontext der Debatte um eine mögliche Wehrpflicht oder einen Gesellschaftsdienst fasst die aktuelle Studie den Stand und die in Deutschland diskutierten Modelle zusammen. Das Fazit: Ein Gesellschaftsdienst, der den sozialen Zusammenhalt stärkt, ist machbar – und sollte nicht nur auf junge Menschen nach dem Schulabschluss abzielen. Beispiele aus anderen europäischen Ländern zeigen sowohl die Chancen, als auch die Komplexität dieser Aufgabe.
Impulspapier: Prinzipien für eine verbindende Energiewende
Über Fragen der Energiewende wurde zuletzt heiß gestritten. Die Organisation More in Common geht in einem kürzlich veröffentlichten Impulspapier anhand qualitativer Forschung mit dem Fokus auf Ostdeutschland der Frage nach, wie die Energiewende aus Bevölkerungssicht verbindend gelingen kann. Was wünschen sich Menschen für eine Energiepolitik, die Raum für Zuspruch und Identifikation bietet? Dazu blicken die Autor/innen zunächst auf die wissenschaftliche Forschung zu Klimaschutz und gesellschaftlichem Zusammenhalt und zeigen dann vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Stimmung drei Gestaltungsbedarfe für eine verbindende Energiewende auf: Vertrauen stärken, Ownership fördern, Attraktivität steigern.
Das Impulspapier im Wortlaut (PDF)
Baden-Württemberg: Förderprogramm Nachbarschaftsgespräche
Beim Förderprogramm »Nachbarschaftsgespräche« der Allianz für Beteiligung sind zivilgesellschaftliche Initiativen mit und ohne eingetragener Rechtsform in Baden-Württemberg antragsberechtigt. Gefördert werden Dialogformate zu Alltagsthemen in kleinen Sozialräumen. Dazu zählen Quartiere, Stadtteile und Ortschaften. Dabei sind auch die Ideen in der Förderung eingeschlossen, die während der Durchführung der Nachbarschaftsgespräche entstehen. Pro Nachbarschaftsgespräch ist eine Förderung in Höhe von 6.000 Euro für sechs Monate möglich. Diese Mittel können zur Durchführung der Nachbarschaftsgespräche sowie für Sachkosten zur Umsetzung von Maßnahmen genutzt werden, die im Rahmen der Nachbarschaftsgespräche erarbeitet werden. Auch kontroverse Themen können Bestandteil der Nachbarschaftsgespräche sein, das Angebot unterstützt ausdrücklich Gruppen, die sich lokalen Konflikten annehmen möchten.
Im Fokus: Engagement von Unternehmen, Wirtschaft & Corporate Citizenship
Unternehmerisches und zivilgesellschaftliches Engagement in Ostdeutschland
Zur Stärkung des Zusammenhalts in Zeiten des Wandels spielen nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen eine wichtige Rolle, sondern auch privatwirtschaftliche Unternehmen, die sich häufig über ihr Kerngeschäft hinaus auf vielfältige Weise für gesellschaftliche Belange engagieren. Bislang gibt es nur wenig empirisch belastbares Wissen zur Entwicklung und Ausgestaltung dieses Unternehmensengagements. Das Forschungsfeld ist stark durch Diskussionen im angelsächsischen Raum geprägt, wodurch deutsche Perspektiven oft vernachlässigt werden. Vor diesem Hintergrund hat ZiviZ im Stifterverband im Rahmen einer neuen Studie im Auftrag des Ostbeauftragten der Bundesregierung das Ausmaß, die Formen und die Motive des unternehmerischen Engagements in Ostdeutschland näher beleuchtet. Ausgewählte Ergebnisse und Implikationen der entstandenen Studie stellt Peter Schubert in seinem Gastbeitrag vor.
Corporate Citizenship: Vom philanthropischen Außenseiter zum Kompetenzzentrum in nachhaltigen Unternehmen
Die DAX-40-Konzerne geben pro Jahr knapp eine Milliarde Euro für ihr gesellschaftliches Engagement aus. Doch ist dieses Engagement lediglich eine Werbemaßnahme oder schaffen die Unternehmen damit tatsächlich einen Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft? Und wenn ja, wie? In einer aktuellen Studie zum Corporate Citizenship der DAX-40 Unternehmen hat das Beratungsunternehmen Wider Sense genau diese Fragen zum dritten Mal seit 2017 untersucht. Karenina Schröder stellt die wichtigsten Ergebnisse kompakt vor.
Corporate Digital Responsibility: Digitalverantwortung der Wirtschaft
Ob Künstliche Intelligenz, Blockchain oder digitale Plattformen: Digitaltechnologien werfen ethische, soziale und ökologische Fragen auf. Unternehmen aller Branchen stehen beim Einsatz digitaler Tools vor anspruchsvollen Herausforderungen rund um die Gewährleistung von Datenschutz und -sicherheit, aber auch beim Ressourcen- und Klimaschutz. Um dieses Feld der Unternehmensverantwortung strategisch weiterzuentwickeln, sollten Politik, Verbände und Multiplikatoren das Thema Corporate Digital Responsibility (CDR) gemeinsam fördern, empfiehlt das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in einem aktuellen Impulspapier. Die Empfehlungen hat das IÖW mit Förderung durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege des Landes Berlin gemeinsam mit Praxisakteuren entwickelt. Entlang von fünf Vorschlägen erläutert das Papier, was zu tun ist, um eine Multi-Stakeholder-Allianz zur Förderung von CDR auf den Weg zu bringen. Akteure und Netzwerke aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sind eingeladen, die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Kontext der Digitalisierung weiterzuentwickeln und zu verbreiten.
Betriebliche Partizipation in der Arbeitswelt
Die vorliegende Studie des Berlin Institut für Partizipation widmet sich der umfassenden Analyse von Einstellungen, Erfahrungen und Bedürfnissen hinsichtlich innerbetrieblicher Partizipation unter gewerkschaftlichen Vertrauensleuten, Jugend- und Auszubildendenvertretern sowie Betriebsrät/innen, die als zentrale Akteure in der gewerkschaftlichen Mitbestimmung und demokratischen Gestaltung von Unternehmen fungieren. Sie beleuchtet deren Einstellungen zur Partizipation im Unternehmen und analysiert die Erfahrungen mit bereits bestehenden Beteiligungsverfahren. Dabei werden sowohl strukturelle, kulturelle als auch kompetenzbedingte Herausforderungen für eine demokratische Gestaltung der Arbeitswelt identifiziert, die sich im Rahmen einer umfassenderen innerbetrieblichen Partizipation ergeben können.
Die Studie im Wortlaut (PDF)
UPJ: Unentgeltliche Rechtsberatung für gemeinnützige Organisationen
Vergaberecht, Gemeinnützigkeitsrecht, Urheberrecht oder Datenschutz: viele zivilgesellschaftliche Organisationen müssen sich in der Praxis und im Alltag ihres Engagements mit komplexen rechtlichen Fragen befassen. Für all diejenigen, denen Mittel für eine fundierte Rechtsberatung fehlen, vermittelt UPJ, das Netzwerk für Unternehmensverantwortung und gesellschaftliches Engagement, zeitlich begrenzte Pro-Bono-Beratungsmandate von Anwält/innen und Kanzleien an Non-Profits. Der Pool an Themen ist groß, neben den bereits erwähnten Rechtsfragen stehen auch Expert/innen für Ausgründungen oder Vertragsrecht zur Verfügung. Am 5. November bietet UPJ eine offene Online-Veranstaltung zur Rechtsberatung für gemeinnützige Organisationen und Initiativen in Gründung an.
Publikationen
Publikation: Demokratie fehlt Begegnung
Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt brauchen Räume des Zusammentreffens und Orte der Begegnung, damit sie dauerhaft gelingen. Zugleich lässt sich feststellen, dass diese Räume und Orte immer weniger werden. Der Autor fokussiert in seinem Buch deshalb auf solche Begegnungsorte des Alltags: auf Schwimmbäder und Bibliotheken, auf Straßen und Bahnen, auf Parks und Cafés, die Dorfkneipe und Elternabende. Er zeigt praxisnah, wie wichtig solche und viele weitere Orte für das demokratische Zusammenleben sind. Denn nur durch die an diesen Orten wahrnehmbare Diversität, durch die Bildung sozialer Beziehungen und durch gemeinsame Aktivitäten entsteht die unverzichtbare Basis, auf der moderne, vielfältige Demokratien funktionieren und sich den großen Transformationen unserer Zeit stellen können.
Rainald Manthe: Demokratie fehlt Begegnung. Über Alltagsorte des sozialen Zusammenhalts. Bielefeld 2024, 154 S., ISBN 978-3-8376-7141-4
Publikation: Fördermittelführer für gemeinnützige Organisationen und Projekte
Für gemeinnützige Organisationen ist das Einwerben von Fördermitteln und Zuschüssen eine zentrale Aufgabenstellung. In Deutschland stehen gemeinnützigen Organisationen eine Vielzahl von Förderprogrammen für die Finanzierung ihrer Aktivitäten offen. Um jedoch die für sie passenden Ausschreibungen zu finden, braucht es Wissen und Geduld: Die Recherche in Fördermitteldatenbanken, Verzeichnissen und im Internet ist dabei einer der zeitintensivsten Arbeitsschritte bei der Gewinnung von Drittmitteln. Die vorliegende Publikation versammelt nun ausgewählte Fördermöglichkeiten für gemeinnützige Organisationen aus über 3.000 Programmen und Ausschreibungen von Bund, Ländern und EU, von Stiftungen, Lotterien und Fonds.
Torsten Schmotz (Hrsg.): Fördermittelführer 2025/26 für gemeinnützige Projekte und Organisationen. Berlin 2024, 304 S., ISBN 978-3-9822148-3-2
Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Fachtagung: Wirksamkeit von Kinder- und Jugendbeteiligung kommunal sichern
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist in Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention, in vielen Landesgesetzen und einigen Kommunalvorschriften rechtlich bindend und im Alltagshandeln von kommunalen Kinderinteressenvertretungen etabliert. Jedoch klafft weiterhin eine Lücke zwischen innovativen Projekten mit jungen Menschen und dem, was nach dem Projekt mit den guten Ergebnissen passiert. Die diesjährige Fachtagung der BAG Kinderinteressen e.V. (21. – 22. Oktober 2024 in Frankfurt am Main) widmet sich den Voraussetzungen für die rechtssichere Umsetzung von Artikel 12 und den Herausforderungen, die Wirksamkeit von Beteiligungsprozessen zu erreichen. Wie finden Beteiligungsergebnisse Berücksichtigung in der kommunalen Praxis? Was brauchen Kinder und Jugendliche, damit sie ihre Wirksamkeit erleben? Welche Rahmenbedingungen und Strukturen brauchen Fachkräfte, um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wirksam zu machen?
Fachtagung: Demokratie braucht alle!
Aufsuchende politische Bildungsarbeit ist mehr denn je gefragt. Sie fokussiert auf eine gleichberechtige politische Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft, indem Möglichkeiten geschaffen werden, die individuellen Fähigkeiten zur politischen Teilhabe weiterzuentwickeln und zu nutzen. Dieser Ansatz wurde im Modellprojekt »PartQ« erprobt, um für Menschen in strukturell benachteiligten Stadtteilen neue Zugänge zu politischer Bildung und Partizipation zu schaffen. In vier Jahren und zwei Projektrunden wurden bundesweit 19 Praxisprojekte in elf Quartieren durch die Forschungseinrichtung Minor begleitet und evaluiert. Im Rahmen einer Fachtagung (12. – 13. November 2024 in Berlin) werden die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse des Modellprojekts der Öffentlichkeit vorgestellt.