eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 12/2024 (19.12.2024)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Kunst, Kultur & Demokratie
- Publikationen
- Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Bundesregierung: Engagementstrategie und Engagementbericht
Kurz vor ihrem Ende hat die Bundesregierung in ihrer Kabinettssitzung am 4. Dezember 2024 die ressortübergreifende Engagementstrategie des Bundes beschlossen. Damit will die Bundesregierung freiwilliges Engagement und die Rahmenbedingungen für Engagierte verbessern. Zudem beleuchtet der ebenfalls vorgelegte Vierte Engagementbericht die Möglichkeiten für freiwilliges Engagement in Deutschland. Die unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erarbeitete Engagementstrategie des Bundes verfolgt fünf zentrale Ziele, darunter die Förderung von Vielfalt und die Stärkung des Engagements in Krisenzeiten. Der Vierte Engagementbericht zeigt unter dem Motto »Zugangschancen zum freiwilligen Engagement«, wie soziale Unterschiede die Beteiligungsmöglichkeiten beeinflussen. Der Engagementbericht untersucht unter anderem, warum bestimmte Gruppen, wie Menschen mit niedrigem Einkommen oder mit Migrationshintergrund, es schwerer haben, sich freiwillig zu engagieren. Er identifiziert Barrieren wie finanzielle Hürden, Zeitmangel und Diskriminierung; ein Fokus liegt auf der Bedeutung von Partizipationserfahrungen in der Kindheit und Jugend für das spätere Engagement. Der Bericht empfiehlt unter anderem, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, um den Zugang zum Engagement zu erleichtern. Außerdem soll Bürokratie abgebaut und neue, inklusive Organisationen gefördert werden.
Die Engagementstrategie im Wortlaut (PDF)
Der 4. Engagementbericht im Wortlaut (PDF)
Dossier: Youth Mainstreaming
Junge Menschen zwischen 15 und 29 Jahren machen mehr als 16 Prozent der Bevölkerung in der EU aus, in den Parlamenten sind sie aber nach wie vor stark unterrepräsentiert. Wie kann also sichergestellt werden, dass ihre Perspektiven in politische Prozesse miteinbezogen werden? Hier setzt das Konzept des »Youth Mainstreaming« an. Dabei geht es darum, die vielfältigen Perspektiven junger Menschen in allen Phasen politischer Prozesse zu berücksichtigen, die sie betreffen und beeinflussen. Die EU möchte den Ansatz des Youth Mainstreaming weiter fördern und hat hierfür verschiedene politische Maßnahmen und Instrumente eingeführt. Im Dossier der Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen in Europa stellen die Autor/innen das Konzept vor und erläutern die dazugehörigen Maßnahmen und Instrumente auf EU-Ebene. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Perspektiven junger Menschen, die intersektionale Diskriminierung erfahren und somit stärker unterrepräsentiert sind als ihre Altersgenoss/innen.
Das Dossier im Wortlaut (PDF)
Studie: Lottokratien und politische Beteiligung per Losverfahren
Die Demokratie steckt in der Krise, so die häufig gestellte Diagnose. Eine aktuelle Studie zeigt jedoch: Ein intelligentes Zusammenspiel zwischen Bürgerräten und repräsentativen Institutionen könnte sie neu beleben und Vertrauen wiederherstellen. Wissenschaftler/innen aus Deutschland, Belgien und Finnland haben vor diesem Hintergrund das Konzept der »Lottokratie« und dessen Umsetzungschancen untersucht. Wie in der antiken athenischen Demokratie entscheidet in einer Lottokratie das Los, wer sich direkt an politischen Entscheidungen beteiligen darf, zum Beispiel im Rahmen eines Bürgerrats. Auf kommunaler Ebene gibt es bereits erste Ansätze, entscheidungsfähige Mini-Öffentlichkeiten und bestehende demokratische Institutionen zu kombinieren. Die Wissenschaftler/innen sprechen sich nun dafür aus, diese Erfahrungen zu nutzen und das repräsentative demokratische Prinzip mit dem Losverfahren zu ergänzen. Dies könnte nicht nur bessere Entscheidungen hervorbringen, sondern auch die Zufriedenheit der Bürger/innen mit der Demokratie erhöhen.
Digitale Monopole, Journalismus und Demokratie
Digitale Plattformen, einst mit der Erwartung auf freiere und partizipativere Öffentlichkeiten gestartet, haben sich zu zentralen Machtinstanzen des Internets entwickelt. Forschungsergebnisse für Deutschland bestätigen, dass bei demokratierelevanten Mediengattungen wie Suchmaschinen, Gratis-Video-on-Demand und Social Media bezogen auf die Nutzungszeiten mittlerweile eine monopolartige Konzentration besteht. So prägen Tech-Unternehmen den Konsum von Informationen und die Art und Weise, wie öffentliche Debatten geführt werden. Gleichzeitig entziehen die großen Plattformen dem Geschäftsmodell redaktioneller Medien ihre wirtschaftliche Grundlage. Ein Beitrag in der Reihe »FES impuls« der Friedrich Ebert Stiftung analysiert die Auswirkungen digitaler Monopole auf Journalismus und Demokratie. Das Papier beleuchtet die Mechanismen, durch die große Online-Plattformen den Wettbewerb abschaffen, die Vielfalt der Medienlandschaft reduzieren und damit demokratische Strukturen gefährden. Es schließt mit einer Darstellung notwendiger regulatorischer Maßnahmen gegen die digitale Monopolbildung.
Das Impulspapier im Wortlaut (PDF)
Praxisleitfaden: »Hauptamt stärkt Ehrenamt«
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, ländliche Gebiete als attraktive, lebenswerte und vitale Lebensräume zu erhalten und gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu schaffen. Ein lebendiges Vereinsleben sowie ehrenamtlich getragene Initiativen und bürgerschaftliches Engagement gehören für Kommunen in ländlichen Regionen zu den wichtigen Standortfaktoren. Doch auch auf dem Land muss mit der sinkenden Bereitschaft, sich innerhalb der gegebenen Ehrenamtsstrukturen kontinuierlich zu engagieren, umgegangen werden. Im Projekt »Hauptamt stärkt Ehrenamt« des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und des Deutschen Landkreistags (DLT) erprobten 18 Landkreise von Anfang 2020 bis Mitte 2023 modellhaft, wie Unterstützungsstrukturen zur Stärkung des Ehrenamts aufgebaut und langfristig etabliert werden können. Im September 2024 wurden die Ergebnisse des Projekts vorgestellt. Entstanden ist unter anderem ein Praxisleitfaden für Landkreise und andere Akteure, der zeigt, wie hauptamtliche Strukturen zur Stärkung des Ehrenamts auf- oder ausgebaut werden können. Der Leitfaden enthält konkrete Umsetzungsschritte, Hinweise auf Stolpersteine und Gelingensbedingungen, Checklisten, Instrumentenkästen sowie Beispiele aus der Projektpraxis.
Die Praxisleitfaden im Wortlaut (PDF)
Engagementförderung im ländlichen Raum
Ob Dorfladen, Freiwillige Feuerwehr oder Bürgerbus: Engagierte Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Kommunen leisten vielerorts wichtige Beiträge zum Erhalt lokaler Lebensqualität und zur Daseinsvorsorge. Doch wie lässt sich bürgerschaftliches Engagement in ländlichen Kommunen effektiv fördern? Dieser Frage widmet sich ein aktueller Praxisleitfaden. Er beleuchtet aktuelle Trends und Herausforderungen für Engagement und seine Förderung in ländlichen Räumen, er stellt Schlüsselfaktoren für wirkungsvolles Engagement vor und definiert sechs Aufgaben für seine Förderung. Mit neun Empfehlungen und Beispielen guter Praxis aus verschiedenen Bundesländern zeigt er, wie lokales Engagement in ländlichen Räumen gezielt gestärkt werden kann, jeweils angepasst an lokalspezifische Gegebenheiten. Der Leitfaden ist im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts entstanden und richtet sich an alle Personen und Organisationen, die auf lokaler Ebene für die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements verantwortlich oder interessiert sind, sich daran zu beteiligen.
Der Praxisleitfaden im Wortlaut (PDF)
Im Fokus: Kunst, Kultur & Demokratie
Kunst und Demokratie: Über den partizipativen Ansatz der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft
Die 1992 gegründete gemeinnützige Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft realisiert seit vielen Jahren temporäre partizipative Kunstprojekte im öffentlichen Raum. Die Projekte laden Menschen ein, durch künstlerische Prozesse in einen Dialog über ihre Lebenswirklichkeiten und gesellschaftliche Fragen einzutreten. Dabei spielt das Konzept der partizipativen Kunst eine große Rolle. Ruth Gilberger, Theresa Herzog und Evelyn Moser stellen den Ansatz vor und reflektieren in ihrem Gastbeitrag über den »demokratischen Moment« von Kunst.
Community Art Center: Bewerbung bis 31. Januar 2025
Der Verein Kunst & Demokratie e. V. gestaltet künstlerische Projekte für die offene Gesellschaft und gelebte Demokratie. Die engagierten Künstler/innen verstehen sich als dabei als »Artivists« und verbinden Kunst mit gesellschaftspolitischen Anliegen. Der von der Freudenberg Stiftung initiierte Verein hat im letzten Jahr drei Community Art Center in Deutschland aufgebaut; Vorbild ist die Stadt Mannheim, wo es seit 2012 ein solches Zentrum gibt. An den drei neuen Standorten in Halle, im rheinland-pfälzischen Wawern und in Suhl wollen die Künstler/innen demokratiegefährdendem Verhalten, sozialer Ungleichheit und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aktiv entgegenwirken und den sozialen Zusammenhalt stärken. Freischaffende Künstler/innen, die mit einem gemeinnützigen Träger verbunden sind oder eine gemeinnützige Organisation aufbauen wollen, können sich noch bis zum 31. Januar 2025 für den Aufbau eines weiteren Community Art Centers bewerben.
The Art of democracy: Resiliente Kunst und Kultur
Kunst und Kultur schaffen Begegnungen, sorgen für Irritation, üben Kritik und stiften Sinn. Ihr demokratieförderndes Potenzial können Kunst und Kultur jedoch nur dann ausschöpfen, wenn ihre Freiheit gesichert ist. Geraten Kunst und Kultur unter Druck, gerät Demokratie unter Druck. Das Projekt »The Art of Democracy – Countering Populism in Arts & Culture« des Progressiven Zentrums brachte Künstler/innen, Kulturschaffende und Menschen aus Kulturpolitik und Verwaltung zusammen. Ziel war es, gemeinsam über die Rolle von Kunst und Kultur in der Demokratie zu reflektieren, Strategien im Umgang mit anti-demokratischer Einflussnahme zu entwickeln und damit Kunst und Kultur in ihrer Freiheit, Kreativität und Souveränität zu stärken. Die Abschlusspublikation bündelt das Wissen des mehrjährigen Projekts und bietet eine Sammlung von konkreten Umgangsstrategien und Unterstützungsmöglichkeiten, die zu einer höheren Resilienz von Kunst und Demokratie beitragen sollen.
Die Abschlusspublikation im Wortlaut (PDF)
Museen als aktive Orte der Demokratie
Das Deutsches Hygiene-Museum und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben zwischen 2021-2024 im Verbundprojekt »Museen als aktive Orte der Demokratie« Ausstellungen, Projekte und Formate der Demokratieerfahrung im und außerhalb des Museums entwickelt. Im Rahmen einer Tagung im September 2024 wurden verschiedene Teilprojekte des Verbundprojekts vorgestellt und gemeinsam reflektiert. Unter dem Motto »Für alle! Demokratie neu gestalten« widmete sich auch die Bundeskunsthalle in Bonn der Demokratie in einer eigenen Ausstellung; zudem initiierte die Bundeskunsthalle ein Gesellschafts-Forum, das aus 35 zufällig ausgewählten Bürger/innen bestand und dessen Aufgabe es war, an der Demokratisierung und Öffnung des Hauses mitzuwirken. Im Netz finden sich zu beiden Projekten der Museen ausführliche Dokumentationen mit Materialien, Vorträgen und Literaturlisten.
Kreativer Protest: Aktionsformen und Kampagnenmodule
Kampagnen gehören zum Alltag zivilgesellschaftlicher Arbeit. Ob lokal oder bundesweit, ob online oder offline: Kampagnen sind so bunt und vielfältig wie die Zivilgesellschaft selbst. Kampagnen überraschen immer wieder mit ausgefallenen, kreativen und spielerischen Ideen und Aktionsformen. Ob Flashmob, Puppentheater oder Installationen: Marc Amann öffnet in seinem Gastbeitrag die Methodenkiste des politischen Straßenprotests und stellt ausgewählte Aktionsformen als Kampagnenmodule vor.
Publikationen
Publikation: Social Entrepreneurship in Deutschland
Mit unternehmerischen Mitteln sozialen und ökologischen Mehrwert schaffen, um gesellschaftliche Probleme nachhaltig zu lösen – der Ansatz des Social Entrepreneurship hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Das vorliegende Handbuch gibt einen Überblick über das komplexe Handlungsfeld. Es versammelt sozialwissenschaftliche sowie politische Perspektiven auf das Thema, eröffnet Einblicke in konkrete Anwendungsfelder und gibt so Unternehmen praktische Beispiele an die Hand, wie Social Entrepreneurship zur sozial-ökologischen Umgestaltung des Wirtschaftssektors beitragen kann.
Philipp Kenel, Jennifer Eschweiler, Helga Hackenberg, Michael Wihlenda (Hrsg.): Social Entrepreneurship in Deutschland. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Bielefeld 2024, 330 S., ISBN 78-3-8385-6333-6
Publikation: Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste
Das Handbuch wirft einen Blick auf zentrale Erkenntnisse zu zivilgesellschaftlichem Engagement und Freiwilligendiensten. Autor/innen aus verschiedenen Disziplinen führen kompakt in zentrale Wissensbestände ein. Das Handbuch vereint wissenschafts- und praxisorientierte Beiträge in acht Abschnitten: Diskurse, Geschichte, Formen und Organisation, Felder, Bildung und Begleitung, Rahmenbedingungen und Förderung, globale und transnationale Perspektiven sowie Forschung. Aktuelle Entwicklungen wie Digitalisierung und Diversifizierung von Engagement werden ebenso betrachtet wie kritische Perspektiven, die Engagement in seinen Ambivalenzen und Verstrickungen mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen sichtbar machen.
Christoph Gille, Andrea Walter, Hartmut Brombach, Benjamin Haas, Nicole Vetter (Hrsg.):
Zivilgesellschaftliches Engagement und Freiwilligendienste. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Baden-Baden 2024, 932 S., ISBN 978-3-7560-0397-6
Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
18. Zukunftsforum Ländliche Entwicklung
Das 18. Zukunftsforum Ländliche Entwicklung (ZLE) findet am 22. und 23. Januar 2025 in Berlin statt. Das Forum steht in diesem Jahr unter dem Motto »Teilhabe, Demokratie und Zusammenhalt in ländlichen Regionen« und bietet den Akteuren der Ländlichen Entwicklung eine Plattform für Austausch, Diskussion und Wissenstransfer. Die Veranstaltung beleuchtet, wie Teilhabeformate, demokratische Strukturen und der gesellschaftliche Zusammenhalt in ländlichen Regionen gestärkt werden können.
Seminar: Alle im Boot?!
Beteiligungs- und Mitwirkungsprozesse brauchen die Teilhabe aller relevanten Akteure, um ihrem Anspruch nach demokratischer Mitgestaltung gerecht zu werden. Doch wie schaffen wir es, Menschen in Beteiligungsprozesse einzubeziehen, die wir über die gängigen Kommunikationskanäle und mit den »üblichen« Angeboten nicht gewinnen können? Diese Frage steht im Mittelpunkt des Seminars »Alle im Boot?!« (Freitag, 21. und Samstag, 22. Februar 2025 in Königswinter) der Stiftung Mitarbeit. Die Teilnehmer/innen diskutieren und erarbeiten gemeinsam Strategien, wie Menschen erreicht werden können, die üblicherweise für Beteiligungs- und Mitwirkungsangebote »schwer erreichbar« sind.