eNewsletter Nr. 11/2013 (21.06.2013)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: 50 Jahre Stiftung Mitarbeit
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Zivilgesellschaft in Zahlen: Survey 2012
Welche Bedeutung hat der gemeinnützige Sektor? Der neue ZiviZ-Survey liefert aktuelle Daten zur organisierten Zivilgesellschaft. 2012 wurden dazu 3.800 Organisationen befragt; durchgeführt wurde das Projekt vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der Bertelsmann Stiftung und der Thyssen Stiftung. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft äußerst heterogen und vielfältig sind. So gibt es nicht die typische zivilgesellschaftliche Organisation, denn die Selbstorganisation von Bürgerinnen und Bürgern nimmt je nach Handlungsfeld unterschiedliche Formen an. Der Bericht zeigt Tendenzen auf, warnt aber zugleich vor vereinfachenden Zuschreibungen und Verallgemeinerungen. Er bietet interessante Zahlen und Ergebnisse für einen differenzierten Blick auf die Mitglieds- und die Personalstrukturen von Organisationen, die Einbindung von Engagierten sowie auf Unterstützungsleistungen, die über finanzielle Förderungen hinaus gehen.
Neue Dialogkultur für Großprojekte
Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) fordert neue Wege bei der Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern in Planungsprozesse. In einer aktuellen Stellungnahme werden Anforderungen an Vorhabenträger, Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit formuliert sowie acht durch eine Expert/innengruppe ausgearbeitete Leitlinien. Deren Kernbestandteile sind eine Grundhaltung gegenseitiger Wertschätzung, frühzeitige und möglichst umfassende Einbindung von Interessen der Betroffenen und ein fairer, ergebnisoffener und transparenter Prozess. Betont wird die Bedeutung eines ernsthaften Dialogs auf Augenhöhe, nicht als Bestandteil von PR und Akzeptanzmanagement. Großprojekte sollen am Ende von allen Beteiligten tragbar sein, daher appelliert der VDI an Politik, Wirtschaft, Bevölkerung und Medien gleichermaßen, einen sachgerechten Umgang mit ihren jeweiligen Rollen zu pflegen und bietet gleichzeitig die Kompetenz beteiligter Ingenieure an. Diese seien in der Projektplanung durch frühe Einbindung und umfassendes Faktenwissen besonders zur Vermittlung geeignet und sollen darum künftig mit Unterstützung des VDI bereits während ihrer Ausbildung stärker auf diese Funktion vorbereitet werden.
Vorschläge zur Regulierung von Lobbyismus
Transparency Deutschland und LobbyControl haben ein gemeinsames Positionspapier für mehr Transparenz beim Informationsaustausch zwischen Interessengruppen, Politik und Verwaltung veröffentlicht. Darin werden elf Vorschläge zur Regulierung von Einflussnahme präsentiert, die nicht ausschließlich die politischen Akteure im Fokus haben, sondern Lobbyisten und Lobbyorganisationen einbeziehen. Zentrale Forderungen sind dabei die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters und eines Beauftragten für Transparenz und Lobbykontrolle. Laut einem aktuellen Rechtsgutachten sind die rechtlichen Grundlagen dafür in den europäischen Verträgen vorhanden. Außerdem soll für zivilgesellschaftliche Organisationen die Möglichkeit geschaffen werden, bei unzulässiger Einflussnahme eine Verbandsklage einzureichen. Vorbild ist das deutsche Rechtssystem, welches es beispielsweise Verbraucherverbänden ermöglicht, bei Verstößen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung oder der Ausgewogenheit bei der Vorbereitung bindender politischer Entscheidungen zu klagen.
DocPatch: das Grundgesetz im Netz
Der Chaos Computer Club (CCC) stellt auf einer eigenen Webpräsenz das Grundgesetz zur Verfügung. Interessierte können dort beispielsweise Änderungen des Grundgesetzes auf einer Zeitleiste nachvollziehen und die unterschiedlichen Fassungen seit der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 gezielt miteinander vergleichen. Zusätzlich bietet die Seite weitere Informationen über Änderungen der Verfassung, z. B. in welchen Zeiträumen diese besonders häufig erfolgten oder über die unterzeichnenden Politiker/innen und ihre Positionen. Neben der Möglichkeit das Grundgesetz »spielerisch« zu erkunden, bietet die Initiative der Essener Regionalgruppe des CCC auch den Download in den unterschiedlichsten Dateiformaten an. Ganz im Sinne der Open-Data-Bewegung, die sich für eine möglichst breitflächige und transparente Nutzung öffentlicher Daten einsetzt, lädt das nicht-kommerzielle Projekt technisch Versierte auch zum Mitmachen ein und ruft zur Nachahmung bei weiteren Gesetzestexten, Parteiprogrammen oder ähnlich relevanten öffentlichen Quellen auf.
Bundesprogramm: »Anlaufstellen für ältere Menschen«
Für ein selbstbestimmtes und selbständiges Leben im Alter stellt der Bund im Rahmen eines neuen Programms Fördermittel von etwa sieben Millionen Euro für Träger und Kommunen zur Verfügung. Gefördert werden sowohl bestehende Konzepte rund um das Wohnen im Alter als auch deren Entwicklung und der Aufbau entsprechender Strukturen. Das Programm hat zunächst eine Laufzeit bis zum Jahr 2017 und soll nach Angaben des Bundesfamilienministeriums die Folgen des demografischen Wandels, der durch einen steigenden Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung gekennzeichnet ist, abmildern und diesen ein selbstbestimmtes und selbständiges Leben im Alter ermöglichen. Unter dem Leitbild der »sorgenden Gemeinschaften« sollen mit dem Programm generationenübergreifende Sozialkontakte, Mobilität und Hilfestellungen bei der Bewältigung des Alltags gestärkt werden und gleichzeitig für diese Gruppe Prozesse der Beteiligung, der Teilhabe und des Engagements in Gang gesetzt werden. Als zentrale Informationsplattform auch zur Selbsthilfe dient das Internetportal »Zuhause im Alter«, das z.B. Tipps zu barrierefreiem Wohnen, sozialen Dienstleistungen und zur Nachbarschaftshilfe anbietet.
Im Fokus: 50 Jahre Stiftung Mitarbeit
50 Jahre Stiftung Mitarbeit
In diesem Jahr feiert die Stiftung Mitarbeit ihren 50. Geburtstag. Deshalb steht die heutige Ausgabe des Newsletters ganz im Zeichen dieses Jubiläums. Die Stiftung Mitarbeit wurde am 8. Juni 1963 in Berlin von engagierten Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft mit zum Teil sehr unterschiedlichen politischen Überzeugungen gegründet. Am gleichen Tag fand im Berliner Ernst-Reuter-Haus ein Festakt zur Gründung statt. Die einführenden Grußworte hielt Willy Brandt, der als Regierender Bürgermeister von Berlin in der Anfangszeit der Stiftung – die damals noch »Die Mitarbeit – Stiftung für staatsbürgerliche Mitverantwortung« hieß – im Kuratorium der Stiftung vertreten war. Den Festvortrag hielt Prof. Dr. Waldemar Besson. Sein Thema lautete »Bürgerliche Mitgestaltung – Fundament eines freien Gemeinwesens«, ein Motto, das leitmotivisch bereits die Arbeit der Stiftung in den nächsten Jahrzehnten vorwegnehmen sollte. 50 Jahre Stiftung Mitarbeit: aus Anlass des Jubiläums unternimmt der heutige Newsletter mit verschiedenen Beiträgen eine Zeitreise entlang den Entwicklungspfaden bundesrepublikanischer Demokratie- und Engagementgeschichte und wirft zugleich einen engagementpolitischen Blick nach vorn. Die Redaktion wünscht viel Spaß beim Lesen!
50 Jahre Stiftung Mitarbeit: Grußworte und Glückwünsche
Aus Anlass des Jubiläums haben die Stiftung Mitarbeit zahlreiche Grußworte und Glückwünsche von vielen Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft erreicht. Bundespräsident Joachim Gauck würdigt die Arbeit der Stiftung Mitarbeit als »Ideen- und Impulsgeber für ein gutes Gemeinwesen«, der dazu beiträgt »die Bedingungen für ehrenamtliche Arbeit und Bürgerbeteiligung – für gelebte Teilhabe – zu fördern. Sie führt Menschen zusammen, um die Gemeinschaft der Bürgerinnen und Bürger zu stärken.« Für dieses Anliegen könne die Stiftung auch in Zukunft auf seine Unterstützung bauen: »Sie haben mich an Ihrer Seite.« Für Dr. Hans-Peter Friedrich, MdB und Bundesminister des Innern, fungiert die Stiftung als »Pfadfinder, Wegweiser und Mutmacher für engagierte Bürgerinnen und Bürger.« Die Stiftung leiste »täglich einen aktiven Beitrag für eine Demokratieförderung von unten, indem sie Bürgerinnen und Bürger darin bestärkt, Eigeninitiative zu entwickeln und sich für Aufgaben einzusetzen, die über ein unmittelbares persönliches Interesse hinausgehen.« Diese »konkrete Hilfe zur Selbsthilfe« werde auch »in unserer zunehmend komplexer werdenden Gesellschaft weiterhin dringend« gebraucht.
Demokratie und politische Partizipation in Deutschland: Streiflichter aus fünfzig Jahren
Demokratie gemeinsam gestalten: Der Blick auf ein halbes Jahrhundert ereignisreicher Stiftungsarbeit zeigt, dass das aktive, beteiligungsorientierte Demokratieverständnis, das Grundlage der Arbeit der Stiftung ist, in Deutschland entschieden an Boden gewonnen hat. Prof. Dr. Roland Roth beleuchtet in seinem ausführlichen Gastbeitrag die »demokratischen Wachstumsringe« der Bundesrepublik, zu denen die Stiftung Mitarbeit in der einen oder anderen Form beigetragen hat. Im Zentrum stehen dabei die Stärkung der Demokratie als Lebens –und Gesellschaftsform sowie die politische Aufwertung aktiver Bürgerschaft. Abschließend benennt er einige aktuelle Herausforderungen, vor denen demokratische Impulse aus der Zivilgesellschaft stehen.
Bürgerschaftliches Engagement und Engagementförderung: Rückblick und Ausblick
Mit dem Begriff »Bürgerschaftliches Engagement« ist ein normatives Verständnis verbunden, in dem die politischen Gestaltungsansprüche als wesentlicher Bestandteil eines immer eigensinnigen und freiwilligen Engagements verstanden werden. Engagement und Partizipation haben in diesem Verständnis einen engen Zusammenhang, weil die Gestaltung der Gesellschaft durch Engagement die Bezüge zu den darauf gerichteten politischen Entscheidungen schafft. Für PD Dr. Ansgar Klein ist deshalb »Engagementpolitik immer auch Demokratiepolitik«. In seinem umfangreichen Gastbeitrag wirft er aus historischer Perspektive einen Blick auf 50 Jahre bürgerschaftliches Engagement und Engagementförderung in Deutschland. Er stellt das vergleichsweise neue Handlungsfeld der Engagementpolitik vor und skizziert anschließend die engagementpolitischen Handlungsbedarfe der kommenden Jahre.
Postwachstumsengagement: Bürgerschaftliches Engagement in Zeiten der Krise
Der nachfolgende Artikel ist ein Geburtstagsgeschenk an die Stiftung Mitarbeit. Darin analysiert Dr. Gerd Placke das bürgerschaftliche Engagement in den Zeiten der Krise. Inspiriert vom Paradigma einer »Postwachstumsökonomie« fragt er, was das sprichwörtlich gewordene »Ende des Wachstums« für das bürgerschaftliche Engagement bedeuten könnte und welche Stellung der Transfer von Geld im gesamten philanthropischen und bürgerschaftlichen Sektor gegenüber der Initiierung von nichtmonetärer Zusammenarbeit innerhalb gemeinwohlorientierter Projekte hat. Der Text ist Teil einer längeren Abhandlung zum gleichen Thema, an der der Verfasser gegenwärtig arbeitet.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Soziale Ungleichheit
Eine aktuelle Untersuchung der Bundesbank belegt: Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich deutlich vertieft. Laut der Studie besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte 58 Prozent des gesamten deutschen Privatvermögens. Der Soziologe Michael Hartmann durchleuchtet in seinem Buch die Lebensverhältnisse der tausend mächtigsten Deutschen. Was denken sie über die Ursachen der Finanzkrise? Wie beurteilen sie die soziale Ungleichheit in Deutschland? Der Autor sucht nach Antworten auf diese Fragen und stellt dabei fest, dass viele der Befragten in Spitzenpositionen von Wirtschaft, Politik, Medien, Justiz, Militär, Gewerkschaften und Verbände die herrschenden Verhältnisse als gerecht empfinden – und zwar besonders dann, wenn sie selbst in großbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen sind. Das Fazit des Autors lautet: Die zunehmende Orientierung politischer Entscheidungen an den Interessen der Wirtschaft und der finanziell Privilegierten droht die Demokratie nachhaltig zu beschädigen.
Michael Hartmann: Soziale Ungleichheit – Kein Thema für die Eliten? 2013, 250 S., 19,90 Euro, ISBN 978-3593399485
Informationen und Bestellung
Publikation: Jetzt tu ich was!
»Jetzt tu ich was«: so lautet der Titel eines neuen Buches, in dem Jugendliche und Erwachsene von ihrem freiwilligen Engagement erzählen. Die dreißig Texte und Interviews machen deutlich, warum und wofür diese Menschen initiativ werden und sich für eine Sache stark machen. Egal ob sie sich einer bekannten Organisation anschließen oder einen kleinen Verein gründen, ob sie die eigene Haltung offen zur Schau tragen oder im Stillen spenden – wichtig ist für alle der Wille, Stellung zu beziehen, Verantwortung zu übernehmen und gesellschaftliches Leben mitzugestalten. Die persönlichen Erzählungen zeigen anschaulich etwas »von der Lust, die Welt zu verändern«.
Meike Blatzheim/Beatrice Wallis (Hrsg.): Jetzt tu ich was. Von der Lust, die Welt zu verändern. 2013, 208 S., 16,95 Euro, ISBN 978-3-407-75366-3
Informationen und Bestellung
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 10.-12.07.2013 in Münster: Vision Stadt: Ort demokratischer und sozialer Innovation
Jahrestagung des Arbeitskreises Lokale Politikforschung
• 16.-18.08.2013 in Frankfurt am Main: Summer Factory 2013 - Sozialökologische Transformation: Strategische Bedingungen eines Politikwechsels
Eine Veranstaltung des Instituts Solidarische Moderne 106086/va/10540/