eNewsletter Nr. 20/2011 (14.10.2011)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Forum für Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
DBT: Koordinierung der Engagementpolitik
Vor einem Jahr, im Oktober 2010 kündigte die Bundesregierung eine engere Koordination mit Ländern und Kommunen für den Ausbau der Förderung bürgerschaftlichen Engagements an. Im Rahmen ihrer Nationalen Engagementstrategie wurde die Einrichtung eines »Bund-Länder-Kommunen-Gesprächskreises« geplant, der den Informationsaustausch und –transfer zwischen und in den verschiedenen Ebenen gewährleisten sollte. Nun haben die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diesbezüglich eine »Kleine Anfrage« an die Bundesregierung gestellt: Diese stellt die Frage, ob der angekündigte Gesprächskreis zum bürgerschaftlichen Engagement bereits eingerichtet ist, welche Vorhaben bereits umgesetzt wurden und ob auch zivilgesellschaftliche Akteure an diesen Gesprächen beteiligt sind.
Die Anfrage im Wortlaut (PDF)
Extremismusklausel vs. Demokratieerklärung
Auf Initiative des Bundesfamilienministeriums sind seit einem Jahr alle Empfänger von Bundesmitteln verpflichtet, eine so genannte Demokratieerklärung zu unterzeichen und sich so zum deutschen Grundgesetz zu bekennen. Darüber hinaus wird ebenfalls erwartet, über die Gesinnung seiner Kooperationspartner Rechenschaft abzulegen. In der Kritik vieler zivilgesellschaftlicher Gruppen steht die auch Extremismusklausel genannte Erklärung, da sie von einer grundsätzlichen Schuld aller Initiativen und Gruppen ausgehe, so eine Atmosphäre des Misstrauens schaffe und dementsprechend im Widerspruch zur Arbeit vieler Organisationen stehe. Den ersten »Geburtstag« der Extremismusklausel nimmt unter anderem die Amadeu Antonio Stiftung zum Anlass, um erneut scharfe Kritik an der Erklärung zu üben. Unterstützt wird sie dabei auch durch die Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung. Sie fordert die sofortige Rücknahme der Klausel in der Vergabepraxis des Bundes.
Inklusion als Menschenrecht
Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat in Kooperation mit der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft das »Online-Handbuch Inklusion als Menschenrecht« veröffentlicht. Das dazugehörige Internet-Portal bietet neben Informationen und Spielen zahlreiche pädagogische Materialien zu den Themen Inklusion, Behinderung und Menschenrechte. Mithilfe einer Zeitleiste lassen sich Informationen über den Wandel der gesellschaftlichen Einstellung und der rechtlichen Bestimmungen zu Menschen mit Behinderungen, von der Antike bis heute, abrufen. Die Website richtet sich an Pädagoginnen und Pädagogen, Jugendliche und Erwachsene in Selbsthilfegruppen und Jugendzentren, an Erzieherinnen und Erzieher sowie an alle, die spielerisch und abwechslungsreich etwas über den Zusammenhang zwischen Behinderung und Menschenrecht lernen möchten.
WZB: Lobby und Engagement Arbeitsloser
»Abseits in der Zivilgesellschaft« ist der Titel des neuen WZBriefs des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Er beschäftigt sich mit der politischen Organisation von Erwerbslosen und nennt Organisationsstrukturen und -kulturen, die das bürgerschaftliche und politische Engagement eher hemmen als fördern. Trotz einer längeren Geschichte von zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation in Erwerbsloseninitiativen und vielfältigen Formen von politischen Protesten wird das Problem der Arbeitslosigkeit zunehmend individualisiert. Erwerbslose definieren sich nur selten direkt über ihren Erwerbsstatus und stellen daher eine heterogene Gruppe dar, die kaum versucht, gemeinsame Strukturen aufzubauen und in einer organisierten Form für gemeinsame Interessen einzutreten. In zivilgesellschaftlichen Strukturen sind sie oft nur schwach eingebunden. Das erklärt, weshalb Erwerbslose kaum Ziel des gesellschaftlichen Engagements sind und warum sich Betroffene eher für andere Interessengruppen stark machen.
Europäisches Jahr für aktives Altern 2012
Zusammen mit dem EU-Parlament hat der Europäische Rat das kommende Jahr zum »Europäischen Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen« ausgerufen. Damit soll stärker auf die Altersproblematiken in Europa aufmerksam gemacht und gleichzeitig eine generationenübergreifende Kultur des aktiven Alterns gefördert werden. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, lädt als nationale Koordinierungsstelle Initiativen, Gruppen und Organisationen dazu ein, sich an der Gestaltung des Jahres zu beteiligen. Noch bis zum 04.11.2011 können beim Ministerium entsprechende Vorschläge eingereicht werden.
Im Fokus: Forum für Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie
Bürgerbeteiligung stärken, Veränderung gestalten
Bürgerbeteiligung stärken – Veränderung gestalten: so lautete das Motto des diesjährigen Forums für Bürgerbeteiligung und lokale Demokratie, das die Stiftung MITARBEIT zum 16. Mal in Kooperation mit der Evangelischen Akademie in Loccum durchgeführt hat. 120 Teilnehmende aus Bürgergesellschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten drei Tage lang intensiv, wie die politische Partizipation der Bürgerinnen und Bürger in der kommunalen Praxis gestärkt werden kann und welche Veränderungen bei den Akteuren, in den Strukturen und Prozessen notwendig sind. Die nachfolgenden Gastbeiträge basieren auf Vorträgen der Autor/innen, welche diese als Referent/innen im Rahmen der Tagung gehalten haben.
Medienmix in der Bürgerbeteiligung: Kommunikationswege der politischen Partizipation
Radio, Fernsehen, Internet: stets verbinden sich mit der Einführung neuer Medien Erwartungen an ihr demokratisierendes Potenzial. Die politische und auch die wissenschaftliche Diskussion der Chancen und Risiken digitaler politischer Partizipation macht hier keine Ausnahme. Seit den 1990er Jahren hoffen viele Befürworter der Bürgerbeteiligung, mit onlinebasierten Beteiligungsverfahren ließe sich die fehlende Akzeptanz der bisherigen Beteiligungsangebote in Form des Auslegens von Unterlagen, der Bürgerversammlung oder schriftlicher Fragebögen überwinden. Angesichts eines Rückgangs der Wahlbeteiligung und des sinkenden Vertrauens in die Repräsentanten der repräsentativen Demokratie glauben viele Politiker/innen zudem, durch Online-Beteiligung wieder Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen zu können. Die Erfahrung der vergangenen zehn Jahre zeigt: Mal gelingt dies, oft aber auch nicht. Doch welche Kommunikationswege braucht die politische Partizipation, um erfolgreich zu sein? Prof. Dr. Herbert Kubicek, Leiter des Bremer Instituts für Informationsmanagement, analysiert in seinem Gastbeitrag Stärken und Schwächen elektronischer Beteiligungsverfahren. Für ihn ist klar: zielführend ist nur die passende Kombination von traditionellen und neuen internetgestützten Formen der Beteiligung.

Bürgerbeteiligung im Ländlichen Raum
In der Presseberichterstattung entsteht häufig der Eindruck, dass Beteiligungsprozesse und damit einhergehende Konflikte nur in (sub)urbanen Räumen und verbunden mit großen Infrastrukturprojekten auftreten. Dabei wird übersehen, dass es auch in ländlichen Regionen zu kontrovers diskutierter Bürgerbeteiligung kommt, nur sind diese Projekte und Fragestellungen meist kleiner dimensioniert und nicht so spektakulär. Grundsätzlich gilt jedoch: nicht jedes Beteiligungsprojekt ist gleich ein »Stuttgart 21« und nicht jede Beteiligung ist automatisch von großen Konflikten geprägt. Bürgerinnen und Bürger in Dörfern und kleinen Gemeinden beteiligen sich häufig und in vielfältiger Form an kommunalen Entwicklungsprozessen. Dennoch lassen sich bei genauerer Betrachtung Unterschiede zwischen Beteiligungsprozessen in Gemeinden, Dörfern und Städten feststellen. Gero Wieschollek, freiberuflicher Regionalentwickler, Prozessmoderator und Regionalmanager, wirft in seinem Gastbeitrag einen Blick auf die Beteiligungskultur im Ländlichen Raum. Was der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an Planungs- und Entscheidungsprozessen dort häufig entgegensteht, ist die fehlende Institutionalisierung von Beteiligungsprozessen in Politik und Verwaltung.

Saarbrücken: Stadtentwicklungskonzept, Quartiersentwicklung und Bürgerbeteiligung
Die 175.000 Einwohner/innen zählende saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken hat sich seit einigen Jahren die Partizipation ihrer Bürger/innen an Planungsprozessen auf die Fahne geschrieben. So wurde das die Gesamtstadt betreffende Stadtentwicklungskonzept durch eine dezernats- und amtsübergreifende Projektgruppe erarbeitet, die Themen und Handlungschwerpunkte mit Akteuren der Stadtpolitik und Zivilgesellschaft diskutiert. Auf der Stadtteilebene wurden parallel integrierte Stadtteil-Entwicklungskonzepte erarbeitet. Sie sollen die stadtweit entwickelten Ziele auf einer konkreten (sozial-)räumlichen Einheit in Maßnahmenpläne übersetzen und nach einer intensiven gemeinsamen Erarbeitung die konkrete Umsetzung vorbereiten. Auch hier waren zivilgesellschaftliche Stadtteilakteure an der Erstellung beteiligt. Monika Kunz, Leiterin des Saarbrücker Stadtplanungsamtes, stellt in ihrem Gastbeitrag die integrierte Stadtentwicklung in ihrer Stadt vor. Ihr Fazit: Beteiligung ist ein sinnvolles Instrument zur Qualifizierung von Konzepten und Planungen. Ihr Mehrwert liegt in der Einbindung des Alltagswissens, der Transparenz von Entscheidungsgrundlagen und Lösungsvorschlägen.

Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Mut statt Wut
Die jüngsten Aufstände in der arabischen Welt zeigen erneut: Die Demokratie hat nichts von ihrer Strahlkraft verloren. Und doch macht sich in den westlichen Ländern seit etlichen Jahren Politikverdrossenheit breit. Selbst in freiheitlichen Gesellschaften stellt man einen rasanten Verlust des Vertrauens vor allem in die Parteiendemokratie fest. Wie passen diese Entwicklungen zusammen? Claus Leggewies Streitschrift analysiert die Beziehung zwischen der Zivilgesellschaft und den klassischen politischen Institutionen. Ausgehend vom Phänomen des »Wutbürgertums« und einer sich verändernden Engagement- und Protestkultur in Europa zeigt er, wie sich die Vorstellungen von Politik und Demokratie gewandelt haben. Wie werden aus Wutbürgern Mutbürger? Welche Formen politischen Engagements sind zukunftsfähig? Wie können junge Menschen mobilisiert werden und Selbstwirksamkeit erfahren? Anhand von nationalen und internationalen Beispielen demonstriert der Autor, wie Partizipation gelingen kann.
Claus Leggewie: Mut statt Wut - Aufbruch in eine neue Demokratie. 2011, 210 S., 14 Euro, ISBN: 978-3-89684-084-4
Publikation: Solidarische Ökonomie und Gemeinwesen
Ausgehend von der aktuellen Kritik am derzeitigen Wirtschaftssystem stellt diese Veröffentlichung solidarische Ökonomie und die Gestaltung des Gemeinwesens in den Mittelpunkt. Zu diesem Thema werden wissenschaftliche Analysen und Theoriekonzepte von unterschiedlichen Autor/innen vorgestellt, die sich der Frage der ökosozialen Selbstorganisation methodisch annähern. Solidarische Formen des Wirtschaftens brauchen die Unterstützung durch ordnungs- und sozialpolitische Entscheidungen, um Strukturen im lokalen Raum aufzubauen und Wirkungen im Sinne einer ökosozial handelnden Gesellschaft zu erzielen. Dabei kann eine nachhaltige Entwicklung in diesem Bereich immer nur mit den Menschen vor Ort seine volle Wirkung entfalten. Die Publikation setzt sich aus einer Einführung in das Thema, einem Ausblick auf die Zukunft einer möglichen Solidarwirtschaft und theoretischen Ansätzen zur Gestaltung zusammen. Der Sammelband richtet sich an Interessierte, die zukünftige ökosoziale Modernisierungsprozesse verstehen und begleiten wollen.
Susanne Elsen (Hrsg.): Ökosoziale Transformation - Solidarische Ökonomie und die Gestaltung des Gemeinwesens. 2011, 450 S., Hardcover, 32 Euro, ISBN 978-3-940865-19-9
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im <link aktuelles termine-und-veranstaltungen _blank>Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 9.-11.11.2011 in Düsseldorf: Interkulturelle Öffnung – Was ist das und wie macht man das?
Eine Veranstaltung des DGB Bildungswerks e.V.
• 10.-11.11.2011 in Berlin: »Die Geister, die ich rief«: Stadtentwicklung als bürgerschaftliche Aufgabe
Ein Seminar des Deutschen Instituts für Urbanistik