Freiwillige sind eine unschätzbar wertvolle Ressource für Organisationen. In dieser Perspektive haben sie ein Recht auf eine sinnvolle Aufgabenstellung, gute Ansprache und Einführung, eine Struktur, die Lernen und Entwicklung fördert sowie Anerkennung ihres Engagements und ihrer Leistung auch bei kurzzeitigem Engagement bietet. Unterschiedlichen Motivationsmustern kann durch differenzierte Angebotsformen entsprochen werden.
Insofern ist die Zusammenarbeit mit Freiwilligen eine Herausforderung und Aufgabe für Hauptamtliche, die gestaltet werden muss.
Der Leitfaden ist auf Grundlage der Ergebnisse der Studie »Kooperation von Haupt- und Ehrenamtlichen in Pflege, Sport und Kultur« (2012 - 2015) entstanden. Herausgeber: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
Die Einstellung zum Engagement hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Viele Menschen wollen sich heute nicht mehr auf Dauer an Organisationen binden. Viele wollen ihr Engagement von vornherein zeitlich befristen und/oder in seinem Umfang begrenzen und werden von der Vorstellung abgeschreckt, von einer einmal übernommenen Aufgabe hinterher nicht mehr loszukommen oder keine Grenzen setzen zu können, nach dem Motto »Reicht man einmal den kleinen Finger, wird die ganze Hand genommen«.
Nicht alle Menschen wollen und können bedingungslose Altruisten sein, die sich für andere engagieren. Für viele gilt auch, etwas »für sich« zu tun: das Engagement bietet Freude, Kontakte, Möglichkeiten der Selbstverwirklichung und der aktiven Gestaltung in der Gesellschaft. Die Mehrheit wird sich daher besonders dann engagieren, wenn das Betätigungsfeld den eigenen persönlichen Neigungen und Interessen entspricht.
Abgestufte Mitmachmöglichkeiten
Unterschiedlichen Motivmustern kann durch differenzierte Angebotsformen entsprochen werden, wozu gerade auch zeitlich abgestufte Mitmachmöglichkeiten gehören.
Nicht jedes Ehrenamt ist teilbar, und in vielen Bereichen, z.B. im Pflege- und Betreuungsbereich, ist Kontinuität eine wichtige Bedingung. Dies trifft aber längst nicht auf alle Bereiche zu. Deshalb empfiehlt es sich, wo immer möglich, Angebote zu zeitlich befristeter oder zeitlich begrenzter Mitarbeit zu schaffen, die dann ggf. bei beiderseitigem Interesse später verlängert oder ausgedehnt werden kann.
Die Zukunft liegt in flexiblen Zeitmodellen, die einerseits den Anforderungen der Organisationen, andererseits aber den Wünschen der am Engagement Interessierten gerecht werden.
Seite 2: Ansprechen und einführen
Zielgerichtete Ansprache
Die Mehrzahl der heute Aktiven ist, wie Untersuchungen und Alltagserfahrungen zeigen, über persönliche Kontakte und persönliche Ansprache zum Engagement gekommen. Indirekt wird dies auch dadurch bestätigt, dass die Antwort »Mich hat niemand gefragt« nach »mangelnder Zeit« der am meisten genannte Grund für Nicht-Engagement ist.
Umso größere Bedeutung kommt der persönlichen Ansprache potenziell Interessierter zu. Sie setzt voraus, dass klar ist, für welche konkreten Aufgaben man eine/n Freiwillige/n gewinnen will und welche Erwartungen und Verpflichtungen damit verbunden sein sollen.
Dabei sind möglichst exakte, vor allem auch ehrliche Angaben über den voraussichtlichen Zeitaufwand, erforderliche Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen ganz wichtig: Kostenerstattung? Versicherungsschutz? Fortbildung?
Je zielgerichteter die Ansprache erfolgt, desto geringer ist das Risiko beiderseitiger Enttäuschungen. Je klarer Einsatzbereiche, Bedarfe und Aufgaben definiert sind, desto eher können sich Interessierte Aufgaben nach ihren Bedürfnissen, Fähigkeiten und Interessen aussuchen.
Beispiel für eine Engagementbeschreibung: Freiwillige gesucht!
Wir sind:
Organisation (Name, Träger, Größe, Kontaktdaten)
Ziele und Aufgaben der Einrichtung (Kurzbeschreibung)
Wenn die Ansprache nicht persönlich, sondern z.B. via Stellenausschreibung, Inserat, Medien oder über andere unpersönliche Informationskanäle erfolgt, ist wichtig, dass eine Ansprechperson genannt wird, die z.B. zu verlässlichen Zeiten telefonische Anfragen entgegennimmt und beantwortet. Kaum etwas ist ärgerlicher, als auf eine Anfrage zu reagieren und dann zu erfahren, dass niemand sich zuständig fühlt oder Bescheid weiß.
Führungszeugnis
Seit dem 1. Mai 2010 benötigen ehrenamtlich Tätige insbesondere dann ein Führungszeugnis, wenn sie kinder- und jugendnah tätig sind oder tätig werden wollen. Das kann das Engagement in Sportvereinen, karitativen Einrichtungen oder bei Trägern von sozialen Projekten betreffen. Wer in seinem Engagement mit Minderjährigen zu tun hat, muss ein »erweitertes« Führungszeugnis vorzulegen, in dem etwaige Sexualdelikte länger aufgeführt werden als im »normalen« Führungszeugnis. Für Ehrenamtliche sind solche Führungszeugnisse gebührenfrei.
Informationen des Bundesjustizministeriums zum Führungszeugnis: Bedingungen, Vereinbarungen, Sonderfälle
Einstieg und Einführung
In einem persönlichen Vorgespräch sollten Motivation, Interessen und Möglichkeiten miteinander geklärt werden. Dazu gehört auch, dass die Organisation oder Einrichtung ihre Erwartungen, z.B. zur Verlässlichkeit und Verbindlichkeit von Absprachen, zur Dauerhaftigkeit der Mitwirkung und Bereitschaft für Fortbildung und Qualifizierung, deutlich macht.
Kommt es dann zur Zusammenarbeit, ist eine gute Einführung wichtig, die neben sachlicher Information auch die persönliche Vorstellung der anderen Mitstreiter/innen enthält. Die neuen Freiwilligen müssen wissen, an wen sie sich bei Rückfragen und Problemen wenden können.
Noch so gute Aktionen zur Gewinnung von Freiwilligen können auf Dauer nur erfolgreich sein, wenn die dabei gemachten Angaben und Zusagen in der Praxis auch tatsächlich eingehalten werden.
Keine Lückenbüßer
Freiwillige sind keine Lückenbüßer. Wer sie auf die Rolle des »billigen Jakobs« zur Kostenentlastung seines Haushaltes reduziert, verkennt die besondere zwischenmenschliche, ideelle und soziale Qualität des bürgerschaftlichen Engagements und erzeugt ein völlig falsches Konfliktverhältnis zwischen ehrenamtlich und bezahlt Tätigen.
Die freiwillige Mitarbeit muss Freude bereiten und als sinnvoll erlebt werden können. Die Freiwilligen sind nur dann zufrieden, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit wertvoll ist und wirklich gebraucht wird. Zufriedene Freiwillige machen zudem die beste Werbung für die Ansprache neuer Freiwilliger.
Der bewusste Umgang mit Freiwilligen darf sich daher nicht auf die Anwerbephase beschränken, sondern bleibt eine dauerhafte Aufgabe. Schlüsselbegriffe sind dabei Entwicklung und Anerkennung.
Persönliche Entwicklung
Neben dem Wunsch, Verantwortung für eine wichtige Sache zu übernehmen, und dem Kontakt zu anderen Menschen ist gerade heute für viele Freiwillige die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen und eigene Horizonte zu erweitern, ein wichtiges Antriebsmotiv.
Freiwilligenarbeit darf nicht statisch werden, sondern muss für diese Gruppen Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung, Fortbildung und Qualifizierung bieten.
Es geht dabei nicht bloß um eine »Abordnung« zu Seminaren oder die Kostenerstattung für die Teilnahme daran, damit die »Neuen« auf den Stand gebracht werden, den die schon länger ehrenamtlich Tätigen oder die Hauptamtlichen bereits erreicht haben. Es geht ebenso um neue Impulse und Kompetenzen für die ganze Organisation.
Nur eine Organisation, die sich ständig weiterentwickelt und ihre Arbeitsbereiche immer wieder neu belebt, bleibt auf Dauer attraktiv für alle: für bezahlte und unbezahlte Kräfte, für Neue und Alte. Organisationen, die sich nicht weiterentwickeln, werden uninteressant für alle.
Abschiedskultur
Zur Befristung gehört auch die Entwicklung einer Kultur der Verabschiedung. Werden zu Beginn eines Engagements keine klaren Absprachen über ein mögliches Ausscheiden getroffen, fällt es oft schwer, sich aus dem Engagement herauszulösen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Nicht selten bleiben Aktive irgendwann einfach weg oder schlafen Aktivitäten schlichtweg nach einiger Zeit ein, ohne dass die Gründe dafür bekannt sind.
Wenn dagegen von vornherein ein Zeitpunkt festgelegt ist, an dem über eine Auflösung oder Fortsetzung gesprochen wird, ist dies für beide Seiten erfreulicher. Es ermöglicht der Organisation nicht nur für Ersatz zu sorgen, sondern auch aus Rückmeldung und Kritik zu lernen und sich bei dem/der ausscheidenden Person in angemessener Form zu bedanken und sie zu verabschieden. Ein solches Verfahren kann neben einem atmosphärisch angenehmeren Abschied auch die Möglichkeit eröffnen, zu einem späteren Zeitpunkt wieder neu einzusteigen.
Seite 4: Anerkennen und unterstützen
Anerkennungskultur
Menschen fühlen sich anerkannt, wenn ihre Leistung erkannt wird und sie ernst genommen werden mit dem, was sie sagen und tun. Sie erwarten Bestätigung und Rückmeldung und das nicht bloß zu kalendarisch feststehenden Terminen. Und nehmen gute Engagementbedingungen nicht nur als Unterstützung sondern auch als Anerkennung wahr.
Gleichwohl bleibt die gezielte Anerkennung von Gruppen, Erfolgen oder einzelnen Personen ein wichtiges Instrument der Engagementförderung. Den Personen und der Organisation angemessene Formen und Rituale der Wertschätzung sind die Grundlage für eine im Alltag der Organisation verankerte Anerkennungskultur.
Veranstaltungen zu feststehenden Terminen, wie z.B. zum Internationalen Tag der Freiwilligen am 5. Dezember jeden Jahres oder zu anderen relevanten Daten, können als Anlässe für öffentliche Würdigungen von Freiwilligen genutzt werden, dokumentieren sie doch auch die Anerkennung nach außen und in der Öffentlichkeit. Solche Würdigungen müssen nicht immer nach dem gleichen Muster ablaufen. Sich ein wenig Gedanken zu machen und zu versuchen, die Ehrung an Profil und Interessen der Geehrten auszurichten, ist eine besondere Ausdrucksform von Wertschätzung.
Stundensätze zwischen 7,- und 12,- Euro für ein freiwilliges Engagement, pauschale Aufwandsentschädigungen, die deutlich über den entstandenen Kosten liegen und Tätigkeiten, bei denen ein Minijob mit der Übungsleiterpauschale »aufgestockt« wird: dieses Szenario ist keine Seltenheit in der bundesdeutschen Engagementlandschaft. Insbesondere in den Bereichen Pflege, Gesundheit, Sport oder Kultur wird die Bezahlung von Freiwilligen zunehmend genutzt.
Vor diesem Hintergrund werden die Diskussionen um das Geld im bürgerschaftlichen Engagement in Organisation, in der (Fach-)Öffentlichkeit wie auch in der Wissenschaft zunehmend kontrovers geführt. Für die Einen ist die Bezahlung im Ehrenamt ein Element der Anerkennungskultur und unerlässliche Voraussetzung, um Engagement sicherzustellen. Für die Anderen verletzt die sog. »Monetarisierung« die Grundlagen und das Selbstverständnis bürgerschaftlichen Engagements.
Doch was ist mit Monetarisierung überhaupt gemeint? Welche Rolle spielen geldwerte Formen der Anerkennung in der Praxis bürgerschaftlichen Engagements? Wo verlaufen die Grenzen und Grauzonen zwischen Erwerbsarbeit und Engagement? Der Themenschwerpunkt »Monetarisierung« bietet Informationen und Reflektionen, um die eigene Position zu klären.
Engagementnachweise, eine Zertifizierung zum Nachweis ehrenamtlicher Tätigkeit, wie sie z.B. in einigen Kommunen eingeführt wurde, oder die in einigen Bundesländern mögliche Bescheinigung ehrenamtlichen Engagements in Schulzeugnissen sind ebenfalls positive Formen der Anerkennung. Vorher sollte allerdings geklärt sein, ob die betreffenden Personen dies auch so möchten. Gerade junge Leute nutzen aber diese Nachweise gerne für spätere Bewerbungssituationen.
Die juleica, die bundesweit gültige JugendleiterInnen-Card weist nach, dass der/die Besitzer/in ehrenamtlich als Jugendleiter/in tätig ist. Mit ihr hat er/sie z.B. Anspruch auf Beratung und Hilfe bei der eigenen ehrenamtlichen Arbeit und an einigen Stellen sogar Rabatt (Erstattungen, Fahrpreisermäßigung, Rabatte in Jugendherbergen oder bei Kulturveranstaltungen).
Einige Bundesländer haben Kompetenznachweise entwickelt, mit denen eine Organisation das Engagement der Freiwilligen schriftlich dokumentieren kann.
Um die Gewinnung und Einbindung von Freiwilligen nicht dem Zufall zu überlassen, sind eine Reihe von Voraussetzungen zu klären und Rahmenbedingungen zu sichern. So sollten Organisationen sich darüber im Klaren sein, warum sie mit Freiwilligen arbeiten und was sie dafür tun. Dazu tragen konkrete Vorbereitungen und Instrumente innerhalb einer Organisation bei.
Gezielte Schritte auf Engagement-Interessierte zu können helfen, Freiwillige für ein Engagement zu begeistern, zu gewinnen und zu halten oder ggfs. wieder zu verabschieden.
Um all diese Aspekte und Aufgaben anzupacken, gibt es in vielen Organisationen und Einrichtungen mittlerweile einen eigenen Aufgabenbereich der Freiwilligenkoordination bzw. des Managements der freiwilligen Arbeit.
Freiwilligenkoordination und Freiwilligenmanagement
Freiwilligenkoordination und Freiwilligenmanagement umfassen die Planung, Organisation und Koordination der Freiwilligenarbeit in einer Einrichtung oder einem Verband. Dabei sollen die Ziele, Aufgaben und Interessen der Organisation mit den Interessen, Erwartungen, Motivationen und Bedürfnissen der Freiwilligen in Übereinstimmung gebracht werden.
Der Begriff Freiwilligenmanagement beschreibt mehr die strategische Komponente der Arbeit mit Freiwilligen bzw. in der Organisation, der Begriff Freiwilligenkoordination fokusiert stärker die operativen Aufgaben.
Die Freiwilligenkoordination und das Freiwilligenmanagement müssen sich an den Rahmenbedingungen, dem Handlungsfeld und der Zielgruppe eines Verbandes, einer Organisation oder einer Einrichtung ausrichten.
Freiwilligenkoordination und -management sind ein eigenständiger Arbeitsbereich und gleichzeitig eine Querschnittsaufgabe. Gerade größere gemeinnützige Einrichtungen richten daher Stellen für Freiwilligenmanager/innen oder Engagementbeauftragte ein.
Wie dies in der Praxis aussieht, zeigt die folgende exemplarische Auswahl von Handbüchern und Internetauftritten: