Real Time Strategic Change (RTSC)

Seite 1: Ausgangssituation, Ziele, Zusammenarbeit, Nächste Schritte, Planungsgruppe

Eine RTSC-Konferenz (Real Time Strategic Change) ermöglicht synchronen Wandel in einem gesamten System, z.B. einem Stadtteil, wie auch in einem Unternehmen. »Real Time« bedeutet hier: Veränderung wird nicht geplant, sie passiert. Aus diesem Grund repräsentieren die Teilnehmer in der Regel einen Querschnitt aus allen an dem Thema oder der Organisation beteiligten Interessengruppen. Die Teilnehmer arbeiten während der Konferenz meist innerhalb von zwei bis drei Tagen in heterogen besetzten 8er-Gruppen, die als Fraktal jeweils die Meinungen und Sichtweisen der Gesamtgruppe widerspiegeln.
Es geht darum, »Hirn und Herz« eines gesamten Systems, z. B. einer gesamten Region oder einer großen Organisation, zusammenzuführen. Erst wenn jeder Teilnehmer einer oft sehr heterogenen Gruppe das ganze Bild erkennen kann, entwickelt sich eine lernende Organisation. Dabei spielt die Gruppengröße nach oben kaum eine Rolle. Ab 50 bis über 1.000 Teilnehmer bilden eine Großgruppe - und dafür ist RTSC gemacht.
RTSC-Konferenzen liegt die Idee zu Grunde, ein hohes Maß an Selbstbeteiligung und Begegnung auf allen Ebenen zu erzeugen. Veränderungen, Neuausrichtungen oder Entwicklungssprünge in Kultur und Strategie eines Systems werden in RTSC-Konferenzen organisationsweit dringlich gemacht. Auf diese Weise wird eine große Bereitschaft für den Prozess etabliert. Darauf aufbauend wandelt sich das gesamte System Schritt für Schritt in der Konferenz.
»Wir werden kein partizipatives Management predigen. Wir tun es«, sagt Kathleen Dannemiller von Dannemiller Tyson Associates, einer amerikanischen Beratungsfirma, die - neben Robert W. Jacobs - RTSC-Großgruppen (»Whole Scale«)-Konferenzen seit 1981 entwickelt hat.

Ausgangssituation untersuchen und Dringlichkeit erzeugen

In der ersten Arbeitsphase geht es darum, die aktuelle Ausgangssituation zu untersuchen und Dringlichkeit für notwendige Veränderungen im gesamten System zu erzeugen. In dieser Phase werden solche Themen, Fragestellungen und ggf. auch Impulse von Externen genutzt, die die Beteiligten im wahrsten Sinne des Wortes aufrütteln. Aufrütteln mit der aktuellen Realität. Aufrütteln, damit Handlungsdruck entsteht.

Mit gemeinsamen Zielen identifizieren

In den nächsten Phasen der RTSC-Konferenz wird ein bereichsübergreifender Dialog über die eigene Kultur, über Werte und Ziele initiiert, der letztlich die Identifikation mit gemeinsamen Zielen bewirkt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um konkrete Zielvorgaben durch die Führungs- bzw. Leitungsebene vorzustellen und gemeinsam mit den Teilnehmern zu diskutieren, ggf. zu ergänzen und zu verabschieden. Hier ist es wichtig, den Handlungs- und Veränderungsspielraum vorher festzulegen. In der Regel gelingt es in einer Großgruppe von beispielsweise 150 Teilnehmern und darüber hinaus sehr gut, sich auf einen gemeinsamen Zielhorizont zu verständigen und sich mit den sichtbar gewordenen Veränderungsvorhaben zu identifizieren.

Zusammenarbeit verbessern

Während der gesamten RTSC-Konferenz arbeiten alle Gruppen bereichsübergreifend und in wechselnden Settings zusammen. Dies hat einen nachhaltigen Einfluss auf die Kultur der Zusammenarbeit.  Darüber hinaus gibt es spezielle Module, die die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Hierarchien analysieren, neu definieren und bereits in der Konferenz einüben.

Nächste Schritte planen

In der letzten Konferenzphase werden nächste Schritte und Maßnahmen geplant und Verantwortlichkeiten festgelegt. Die Planungsphase vollzieht sich dann je nach Thema und Gruppenzusammensetzung wieder in homogenen Interessengruppen (Heimatgruppen), in vorab definierten Experten- und Spezialistengruppen (aus dem Teilnehmerfeld heraus!) oder im Open Space-Modus nach eigenem, individuellen Interesse und Antrieb.

RTSC-Konferenzen sind gut dazu geeignet, ein individuelles, themen- oder organisationsspezifisches Konferenzdesign zu erarbeiten. Sie sind für viele Initiatoren erste Wahl, weil sie einen Maßanzug für unterschiedliche Situationen, Themen und Gruppen ermöglichen. Dies gelingt, weil die Planung  einer RTSC-Konferenz auf einem bewährten Phasenmodell beruht, das viele unterschiedliche Frage- und Aufgabenstellungen bereit hält – die sogenannte »Formel für Veränderung«:

Aufrütteln  x  Vision/Ziele  x  Erste Schritte  =  Energie für Veränderung (bzw. ≥ Widerstand, sich zu wandeln)

Wird eine der oben beschriebenen Phasen nicht eingeplant, ist einer der drei Faktoren gleich Null. Das Produkt zur Erreichung der benötigten Veränderungsenergie ergibt dann auch Null.
Auf Grund der hohen Anpassungsfähigkeit der Konferenzdramaturgie werden RTSC-Konferenzen sowohl in der Wirtschaft als auch im kommunalen und institutionellen Sektor gleichermaßen eingesetzt. Die Anwendungsfelder reichen von dialogorientierten Jahrestagungen großer Mitgliederorganisationen über Fusionen, Veränderungs- und Integrationsprozesse bis hin zu Bürgerbeteiligungs-Projekten im Rahmen der Regional- und Stadtentwicklung.

Eine gemeinsame Ausrichtung, die durch einen bereichsübergreifenden Dialog, durch gemeinsames Arbeiten und Kämpfen für Ideen entsteht, ist ein wesentliches Ziel von RTSC-Konferenzen. Sowohl die einzelne Person als auch die gesamte Gruppe vollzieht häufig wahre Quantensprünge in der eigenen Entwicklung.
Durch RTSC-Konferenzen wird Veränderungsenergie in großem Maße erzeugt. Dies geschieht unter anderem deshalb, weil die Beteiligten sich im gesamten System mit unterschiedlichen Meinungen und Sichtweisen auseinandersetzen und ein Bewusstsein für das Ganze entsteht. Dies wiederum macht allen deutlich, dass nur mit konzertierten Anstrengungen die wesentlichen Weichenstellungen und Vorhaben neue Realität werden können, und dass man dafür hier und jetzt etwas tun muss.
Ziel ist es also, ein Thema, ein Vorhaben oder eine spezifische Situation mit Hilfe aller betroffenen Interessengruppen (auch Anspruchsgruppen genannt) zu analysieren, zu erörtern und zu verstehen und konkrete, nächste Schritte unter Verwendung professioneller Management-Werkzeuge zu planen und umzusetzen. Dabei wird zeitgleich an Werten, Zielen, an der Verbesserung der Zusammenarbeit und an Strategien gearbeitet.

Planungsgruppe

Für RTSC-Konferenzen empfiehlt sich zunächst die Einberufung einer Planungsgruppe.
Das Ziel der Zusammenarbeit mit der Planungsgruppe ist ein möglichst effektives Einladungsprozedere, eine reibungslose Organisation, Durchführung und Ergebnissicherung. Zu diesem Zweck trifft sich das Planungsteam vor, aber auch während der Konferenz (z. B. abends). Die Planungsgruppe stellt einen Mikrokosmos der Großgruppe dar. Sie durchläuft in der Vorbereitung die gleichen Phasen (des Veränderungsprozesses) wie die Großgruppe und hat somit Pilot-Funktion. Sie muss im Vorfeld der Konferenz herausfinden, welches die Kernthemen der Konferenz sind (worüber muss dringlich gesprochen werden) und wer einzuladen ist (Interessengruppen). Das heißt, die Planungsgruppe übernimmt die Rolle des Experten für die Inhalte (die externen Berater übernehmen die Rolle des Experten für den Prozess).

Seite 2: Beratungsansatz & Moderation, Konferenzort, Ausstattung, Nach der Konferenz

Beratungsansatz & Moderation

Hinter der RTSC-Konferenz steht ein spezifischer Beratungsansatz und die Philosophie der Partizipation. Die Idee der Partizipation basiert auf der Erkenntnis, dass Viele schlauer sind als Einzelne. Wirkliches Lernen, das in zukunftsgestaltendes Handeln mündet, kann nur dann stattfinden, wenn sehr unterschiedliche Personen und Gruppen gemeinsam bereit sind, ihre Differenzen zu überwinden und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Ein solcher Prozess birgt viel Dynamik und kann für die Entwicklung eines Themas, Vorhabens oder einer Organisation sehr bedeutend sein. Entscheidend bei der Auswahl der Berater oder Moderatoren ist deshalb nicht nur die faktische Kompetenz (Erfahrung in der Moderation und Prozessbegleitung allgemein, Erfahrung mit der Planung und Moderation von RTSC-Konferenzen und ggf. anderer Großgruppenverfahren), sondern auch, dass die Chemie stimmt, dass Moderator bzw. Berater und die Verantwortlichen die gleiche Sprache sprechen.

Konferenzort & Raum

Die Anreisewege und –zeiten der Teilnehmer sollten bei der Wahl des Ortes in jedem Fall berücksichtigt werden. Der Konferenzort kann, muss aber nicht zwangsläufig ein Standard-Kongresshotel sein. Vielleicht bietet sich ein Ort an, der das Thema der Konferenz aufgreift oder eine symbolische Bedeutung hat. Wenn dieser Ort keine Übernachtungsmöglichkeiten bietet, sollte die Übernachtungsstätte in der Nähe liegen. Für die Konferenz selbst ist nur ein großer Raum erforderlich und ggf. ein Foyer für Empfang, Garderobe und Verpflegung der Teilnehmer.
Viel Bewegungsfreiheit ist aufgrund der Arbeitsweise unerlässlich. In der Regel reicht die Daumenregel je Teilnehmer etwa 2,5 - 3,5 qm. Tageslicht oder eine helle Ausleuchtung sind wichtig. Der Raum muss gut belüftbar sein. Eine Kontaktperson für Heizung/Klimaanlage und sonstige Technik sollte bekannt und an den Tagen der Konferenz erreichbar sein.

Ausstattung

RTSC-Konferenzen benötigen nicht sehr viel Technik, da von aufwändigen Frontalpräsentationen in der Regel zugunsten des Dialogs abgesehen wird. Grundsätzlich benötigt man daher neben zwei bis drei mobilen Mikrophonen, die im gesamten Raum funktionieren sollten, nur jede Menge Platz, für jeden Teilnehmer einen Stuhl und je 8er-Gruppe eine Pinnwand, ein Flipchart und Moderationsmaterial (Karten, Stifte, Pinn-Nadeln etc.).
Dennoch ist eine Projektionsfläche und ein Beamer für die Anmoderation oder Impulsreferate bei Gruppen von über 100 Teilnehmern sehr hilfreich. Der Moderator kann dann seine Instruktionen verbal und parallel als Schriftbild und ggf. Grafik anbieten. Auch die Musikeinspielung zur Pause ist sehr zu empfehlen, da sie den Teilnehmern Orientierung gibt (Signal) und für Atmosphäre sorgt.

Nach der Konferenz

Ideal ist es, wenn die Schritte nach der Konferenz frühzeitig geplant werden. Die Dokumentation der Ergebnisse, die interne Kommunikation und erste konkrete Schritte werden häufig von der Planungsgruppe (verantwortlich für den Prozess) gesteuert.
Dennoch sei gesagt: Auch wenn keine Kontroll- oder Serviceinstanzen installiert werden, so beginnt der angestrebte Wandel direkt und unmittelbar an vielen verschiedenen Ecken des Systems.
Sinnvoll sind dann Follow-Up-Veranstaltungen, die das bisher Erreichte dokumentieren und darüber Klarheit verschaffen, was bei der Umsetzung gut funktioniert. Auf diese Weise wird Best Practice-Know-how für den Prozess weiter gegeben.
Die Stärke von RTSC-Konferenzen liegt in der Anpassungsfähigkeit der Gesamtchoreografie auf die jeweilige Situation und Teilnehmergruppe. Die Formel für Veränderung und die darauf basierenden Arbeitsphasen geben einen erfolgreichen und erprobten Rahmen vor. Gleichzeitig bietet der RTSC-Ansatz einen umfangreichen Werkzeugkasten mit sehr differenzierten Aufgaben- und Fragestellungen, der jede RTSC-Konferenz einzigartig macht.
In der Entscheidungs- und Planungsphase ist eine intensive Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Optionen des RTSC-Ansatzes unerlässlich. Dies erfordert eine gute Beratungsleistung durch den Berater bzw. Moderator und neben der notwendigen Zeit (mindestens zwei bis drei Planungstage) ein gutes Einfühlungsvermögen der Mitglieder der Planungsgruppe. Die RTSC-Konferenz ist ein erfolgreiches Instrument im Rahmen von komplexen, ggf. langfristigen Veränderungsprozessen mit großen Gruppen. Sie ist weniger geeignet als unverbindliches Gesprächsforum oder Dialogveranstaltung ohne Konsequenzen.

Autor

Holger Scholz
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