Nachhaltige Siedlungsentwicklung

Über mangelndes Engagement konnte beim Workshop »Nachhaltige Siedlungsentwicklung« in Lindau keiner klagen. Auf Grund einer Initiative des Arbeitskreises »Siedlungsentwicklung, Naturschutz, Mobilität« der Agenda 21 kam eine große Zahl von interessierten Bürgerinnen und Bürgern und Fachleuten zusammen. Die Ziele des Treffens hatte sich der Agenda-Arbeitskreis überlegt. Mit dem Workshop sollte ein Forum für die Verantwortlichen in der Siedlungsentwicklung entstehen. Außerdem sollten Anregungen für die nachhaltige Siedlungsentwicklung gegeben werden und man wollte Leitlinien für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung in der Region erarbeiten.

Schon zu Beginn mussten die Moderatoren des Bundesverbandes TuWas feststellen, dass diese Ziele vermutlich nicht erreicht werden können. Denn die meisten Workshop-Teilnehmerinnen und –teilnehmer kannten einander nicht und hatten dementsprechend noch nie miteinander gearbeitet. Daher hätten sie zu Beginn des Treffens Zeit gebraucht, um sich kennen zu lernen. Statt dessen erwarteten sie am ersten Tag drei lange Referate, die sich bis zum Nachmittag hinzogen. Im Anschluss daran war es schwer für das Moderationsteam, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Mitarbeit anzuregen und das Themenspektrum so zu weiten, dass es Raum für eigene Ideen und Ansätze bot.

Um dennoch ein Maximum an kreativer Beteiligung zu erreichen, entschieden sich die Moderatoren für die Arbeit nach dem Disney-Modell. So sollten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nun für eine der drei Rollen des Modells – Visionär, Realist oder Kritiker – entscheiden. Bei den folgenden Expertenreferaten sollten sie alles notieren, was ihrer Rolle im Disney-Modell entsprach, also als Visionär zum Beispiel alle utopischen Ideen festhalten. Darüber hinaus sollte natürlich auch jeder seine eigenen Gedanken beim Zuhören notieren. Für die Notizen wurden verschiedenfarbige Karten verteilt. Rot stand für VISION, grün für PRAXIS und blau für KRITIK. Geplant war ursprünglich, alle Karten zu ordnen und dann zu analysieren. Tatsächlich gelang es dann nur, die Themen und Ideen einigermaßen zusammenzufassen und mit Rubriktiteln zu versehen. Dabei zeigte sich, dass es den Akteuren schwer fiel, Überbegriffe für den utopischen Gehalt der Ideen zu finden. Da die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer wenig Erfahrung mit kreativen Prozessen hatten, musste vielen zunächst erklärt werden, wie sich visionäre Ideen in Begriffen ausdrücken lassen und dass sie auch einen emotionalen Gehalt haben. Dennoch zeigten alle ein deutliches Interesse daran, Visionen zu entwickeln. Unter dem Motto »Visionen sind machbar« wurde dann auch einiges aufgelistet, wie zum Beispiel: »Neue Leitidee für die Region, für alle Bewohnerinnen und Bewohner«, »das ›Paradies‹ ist erschaffbar« und »Visionen statt Leidensdruck«. In einem Brainstorming wurden dann fünf Leitbegriffe gefunden, darunter beispielsweise »Flexibles Wohnen«, was unter anderem Wohnen, Zusammenleben mehrerer Generationen, eine bewusste Wassernutzung und eine Stabilisierung der Siedlungsdichte umfassen sollte.

Diese Ideen wurden anschließend bewertet, wobei sich »Flexibles Wohnen« und »Sozialindividuelle Wohnformen« als Favoriten erwiesen. Die nächste Herausforderung war nun, realistische Umsetzungsvorschläge zu machen. Hier wurden ebenso konkrete praktische Ideen entwickelt wie auch visionäre Vorstellungen geäußert.
Die Kritik-Karten konnten aus Zeitgründen am Ende gar nicht mehr bearbeitet, sondern nur eingesammelt werden. Im Mittelpunkt der Kritik stand jedoch, dass Zukunftssicherheit ein falsches Ziel sei, weil Zukunft offen sein müsse. Außerdem wurde auf die Gefahren von Visionen (»machen fanatisch«) hingewiesen und gefordert, Logos nur mit Profis zu entwickeln – oder gar nicht. Die anschließende Diskussion musste dann recht knapp gehalten werden. Entsprechend hoch war das Maß der Unzufriedenheit bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Feedbackrunde. Der Workshop war nun an einem Punkt angekommen, an dem die Akteure recht frustriert waren, weil sie die »scheinbare Ergebnislosigkeit« sahen, sich von den kreativen Anforderungen überfordert fühlten und ihre Rolle im Workshop weitgehend als zu passiv empfunden hatten. Aus Sicht der Moderatoren war es jedoch besser, »den Workshop auf diese Klippe auflaufen zu lassen, als – um im Bild zu bleiben – Rum an die Seeleute auszugeben, damit niemand merkt, dass sich das Schiff gar nicht mehr bewegt«. Auch in der Disney-Strategie steht der »Kritiker« am (vorläufigen) Ende des kreativen Prozesses. Walt Disney selbst beurteilte gezeichnete Entwürfe auch am Ende immer in einem sehr kleinen und heißen Raum – »dem Schwitzkasten der Kritik«, wie alle es nannten.

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