Ziele & Voraussetzungen
Die Konfliktlösungskonferenz ist eine deliberative Methode in der Konzeptionsphase. Bisher liegt weder ein detailliertes Handbuch vor, noch konnte die Methode in der Praxis getestet werden. Das Verfahren weist zahlreiche Gemeinsamkeiten mit der von der dänischen Behörde für Technikfolgenabschätzung erprobten Konsensuskonferenz und der von Peter Dienel entwickelten Planungszelle/Bürgergutachten auf. Außerdem haben amerikanische Verhandlungs- und Mediationstechniken Eingang in das Konzept gefunden. Hier sind vor allem die Konfliktmediation und das CODM-Modell von Tim Hartnett zu nennen.
Dem Konzept liegt der Gedanke zugrunde, eine Konfliktlösungsmethode für den kommunalen Kontext vorzulegen, die zur Anwendung kommen kann, wenn:
- die Durchführung eines Mediationsverfahrens an Grenzen stößt, weil es gilt, eine Vielzahl an Gruppen mit unterschiedlichen Interessen einzubinden,
- die breite Öffentlichkeit ein hohes Interesse an der Lösung eines Konfliktes hat und das Verfahren deshalb nicht gänzlich vertraulich sein kann,
- externe Sachverständige nötig sind, die aus einer rein fachlichen Perspektive heraus die Grenzen und Möglichkeiten einer Lösungsstrategie eruieren.
Konfliktlösungskonferenzen zielen auf die Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins für kontroverse Themen und tragen zur Konfliktlösung in sozialen Systemen bei, z.B. in Städten oder Stadtteilen. Direkt beteiligt sind von Interessengruppen entsandte bevollmächtigte Vertreter, die konkrete Positionen bzw. Lösungsvorschläge erarbeiten. Beispielsweise könnte die Mitgliederversammlung eines Vereins einzelne Vereinsmitglieder oder externe Dritte beauftragen, ihre Interessen wahrzunehmen. Indirekt ist die breite Öffentlichkeit eingebunden, die über den Verlauf und die Ergebnisse der Konferenz informiert wird.
Bevollmächtigte Vertreter verfügen über ein Mandat bzw. einen Vertretungsauftrag durch eine Interessengruppe. Wie bei Rechtsanwälten vertreten sie nur die Interessen ihrer Mandanten, sind in der Ausführung ihres Auftrages aber weitgehend frei. Das Mandat besteht aus einem Katalog an Dienstleistungen, die vom bevollmächtigten Vertreter selbständig geplant und durchgeführt werden. Die Konferenzthemen können unterschiedlichster Natur sein, die Ausgestaltung des Umweltschutzes, ethische oder Fragen der Stadtentwicklung betreffen.
Wesentliche Elemente der Konfliktlösungskonferenz:
- Zusammenstellung einer 15 bis 50-köpfigen Gruppe aus ehrenamtlich wirkenden Interessenvertretern
- Gründliches Kennenlernen und Aussprechen der Interessengruppen zu ihren Wünschen und Bedürfnissen
- Diskussion der von den Gruppen erarbeiteten Fragen und Problemwahrnehmung mit Sachverständigen
- Verhandlung der Kontroverse bzw. des Konflikts und Erarbeitung eines Gutachtens, welches alle relevanten Meinungen einbindet
- Öffentliche Vorstellung der Ergebnisse und Übergabe des Gutachtens an Wissenschaft, Politik und Interessenverbände
Die Konferenz ergänzt so den oft allein von Fachexperten und Politikern geführten öffentlichen Diskurs durch die direkte Beteiligung der betroffenen lokalen Interessengruppen. Es geht darum, jene Bürger in Beratungs- und Entscheidungsfindungsprozesse einzubinden, die unmittelbar mit deren Konsequenzen leben müssen. Die Methode eignet sich für folgende Herausforderungen:
- Lösungsvorschläge für öffentliche Kontroversen einholen
- Lösungen in einer konkreten Konfliktsituation erarbeiten
- Schwachstellen und Stärken bisheriger Entscheidungen identifizieren
- Initiieren von Diskursen zu gesellschaftlich wichtigen Themen
Besonders wichtig für das Gelingen einer Konfliktlösungskonferenz ist die Wahrung von Transparenz. Der Versuch von Auftraggebern, Organisatoren oder Moderatoren, Einfluss auf die Ergebnisse des Verfahrens zu nehmen, kann schnell das gesamte Projekt scheitern lassen, weil dann die Konferenz ihre Glaubwürdigkeit verliert. Diese ist aber dringend notwendig, denn nur wenn die von den Interessengruppen erarbeiteten Lösungen oder Lösungsvorschläge von der Öffentlichkeit akzeptiert werden, kann eine nachhaltige Befriedung der Konflikte und Kontroversen Aussicht auf Erfolg haben.
In der Theorie und Praxis zeigt sich immer wieder, dass Konflikte nur dann einvernehmlich gelöst werden können, wenn die Konfliktparteien willens sind, in einen echten Dialog miteinander einzutreten. Jede Form von Druck, sich an den Verhandlungstisch zu begeben, wirkt kontraproduktiv und verhindert Lösungen. Nur wenn die Streitparteien wirklich bereit sind, auf die Bedürfnisse und Wünsche ihres Gegenübers einzugehen und gegebenenfalls eigene Standpunkte zu revidieren, kann eine Konfliktlösungskonferenz erfolgreich sein.
Das Ergebnis einer Konfliktlösungskonferenz ist nicht in jedem Fall und notwendigerweise ein Konsens. Eine Einigung kann auch durch einen Kompromiss oder eine akzeptierte Mehrheitsentscheidung herbeigeführt werden. Neben der Suche nach Einigung spielt die Herausarbeitung von Meinungsverschiedenheiten eine wichtige Rolle. Sie geben Auskunft über konkrete Wahrnehmungen. Eine nicht lösbare Differenz zwischen informierten Interessengruppen, den entsandten Vertretern, weist z.B. auf eine starke Polarisierung in dieser Frage im gesamten sozialen System hin.
Die Ergebnisse einer Konfliktlösungskonferenz dienen im öffentlichen Raum vor allem der Politikberatung. Politische Entscheidungsträger haben so die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht, die Sichtweisen von Bürgern und Interessengruppen, die sich über einen längeren Zeitraum intensiv mit einem Thema beschäftigt haben, zu beachten. Nichtsdestotrotz sollte sich die Politik verantwortlich verhalten, denn gewinnen die Bürger den Eindruck, dass ihre Vorschläge und Ansichten nicht berücksichtigt werden, sinkt ihre Partizipationsbereitschaft rapide.

Beispiel: Sanierungsbedürftige Fußballplätze
In einer Kleinstadt, die aus drei Dörfern im Zuge von Gemeindegebietsreformen entstanden ist und heute rund 12.000 Einwohner zählt, gibt es drei traditionsreiche Fußballvereine, deren Spielplätze sanierungsbedürftig sind. Im Stadtrat wurde mehrfach kontrovers diskutiert, wie sich die Spielbedingungen deutlich verbessern lassen. Eine einvernehmliche Einigung, die den Interessen aller Vereine Rechnung trägt, ist weiterhin nicht absehbar.
Der städtische Planentwurf für das neue Haushaltsjahr sieht bereits Investitionsrückstellungen vor. Allein aus Eigenmitteln kann die Kommune jedoch weder einen Neubau, noch die Sanierung der bestehenden Plätze finanzieren. Sie ist auf die Genehmigung von Landesfördermitteln angewiesen. Angesichts der bestehenden Nachwuchsprobleme und der negativen demografischen Prognosen scheint es ausgeschlossen, dass die Kommune Fördermittel für die Sanierung von drei Fußballplätzen einwerben kann.
Der Bürgermeister möchte die Agentur »XY« damit beauftragen, eine Konfliktlösungskonferenz zu organisieren. Ziel ist es, ein zukunftsweisendes Konzept zu erarbeiten, das allen Vereinsinteressen Rechnung trägt und für die Stadt finanzierbar bleibt. Die Stadtverwaltung ist zudem daran interessiert, die jährlichen Unterhaltskosten der städtischen Sportanlagen nachhaltig zu senken. Die Interessengruppen vertreten folgende Positionen:
• SV Niederdorf ist der älteste Fußballverein im Ort und spricht sich für den Bau eines modernen Stadions mit einem Rasen- und Kunstrasenplatz aus, in dem alle drei Vereine ihre Punktspiele absolvieren. Die bestehenden Plätze sollen zu Trainingszwecken weiter genutzt werden.
• FC Neudorf ist der erfolgreichste Verein, dessen 1. Männermannschaft kürzlich in die Oberliga aufgestiegen ist. Der Vorstand spricht sich klar gegen den Bau eines neuen Stadions aus und möchte den eigenen Rasenplatz modernisieren. Der Verein pocht auf Eigenständigkeit.
• Alemannia Oberdorf ist der mit Abstand kleinste Fußballverein im Ort und von Auflösungstendenzen betroffen. Im Nachwuchsbereich unterhält der Verein gut funktionierende Spielergemeinschaften mit dem FC Neudorf. Der Vorstand hat sich bisher nicht klar positioniert.
• Da die Stadtverwaltung in dem Konflikt eigene Interessen wahrnimmt, besteht die Agentur »XY« darauf, dass sie als eigenständige Interessengruppe an der Konfliktlösungskonferenz teilnimmt.