Jede soziale Gemeinschaft ist auf gemeinsame Regeln und Normen angewiesen. Diese Verhaltensvorschriften müssen auf einem legitimen und normativ begründbaren Verfahren der Urteilsbildung und Entscheidungsfindung beruhen, sollen sie von den Mitgliedern der Gemeinschaft als verbindlich angesehen werden (Renn 1999).
In modernen pluralistischen Gesellschaften fällt es den Individuen wie den gesellschaftlichen Gruppen zunehmend schwerer, kollektiv verbindliche Normen, die von allen als legitim angesehen und als für einen selbst verpflichtend wahrgenommen werden, aufzustellen bzw. anzuerkennen. Vielfalt von Lebensoptionen und Subjektivierung von Sinn kennzeichnen den Übergang von traditionellen zu modernen Gesellschaftsentwürfen. Je weniger gesellschaftsübergreifende Leitbilder oder Verhaltensorientierungen zur Verfügung stehen, desto schwieriger wird der Prozess der Abstimmung über kollektiv verbindliche Handlungsanweisungen.
Wie kann unter diesen Umständen eine die Gesellschaft umfassende und Verbindlichkeit einfordernde Steuerungspolitik gestaltet und umgesetzt werden, die gleichermaßen Problem lösend wie ethisch befriedigend ist?
Das Grundkonzept eines verständigungsorientierten Diskurses
Diskursive Elemente können einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die mit Entscheidungsfragen verbundenen Bewertungen und Abwägungen nachvollziehbar zu machen und gegenüber Außenstehenden zu begründen, ohne dabei den Anspruch zu erheben, alle Anforderungen an legitime Entscheidungen in modernen pluralistischen Gesellschaften zu erfüllen. Diskurse sind immer nur ein Bestandteil eines als legitim zu bewertenden umfassenden Entscheidungsprozesses.
Um die Leistungsfähigkeit von Diskursen zur Begründung und Legitimation von Entscheidungen zu beschreiben, ist zunächst eine kurze Begriffserläuterung angebracht. Bei der Wahl eines geeigneten Konzeptes für eine theoretisch befriedigende und praktisch umsetzbare Diskurstheorie kann die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas weiterhelfen (Habermas 1971; 1981; 1989). Habermas unterscheidet zwischen kognitiv-instrumenteller und kommunikativer Rationalität. Im ersten Falle geht es um Handlungen, die darauf abzielen, die Welt zu verändern; im zweiten Falle um Handlungen, die darauf abzielen, andere zu überzeugen. Im Rahmen von Beteiligungsverfahren können vor allem die Hinweise zur kommunikativen Rationalität für die Organisation von Diskursen genutzt werden. Ein wechselseitiger Austausch von Informationen (im folgenden Diskurs genannt) genügt dann den Ansprüchen der kommunikativen Rationalität, wenn alle Teilnehmer gleiche Rechte und Pflichten besitzen und – freiwillig oder durch Regeln der Beweisführung – von strategischen Beeinflussungen Abstand nehmen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich dann die Definition für einen Diskurs (siehe Box).
Vorgehen und Instrumente
Grundsätzliches
Diskurse ermöglichen den beteiligten Akteuren, eine gemeinsame Basis an Wissen zu erlangen, Argumente zu einzelnen Positionen auszutauschen und zu verstehen, um letztendlich verschiedene gesellschaftliche Wertvorstellungen in die Entscheidungsfindung zu integrieren.

Diskurse sind Verfahren der Kommunikation, in denen
• unterschiedliche Aussagen, Argumente, Sichtweisen und Interessen
• unabhängig vom Ansehen der Person und von ihrem Status
nach einem festgelegten Vorgehen und abgestimmten Regeln erfasst und analysiert werden.
Diskurse werden mittlerweile in den unterschiedlichsten Themenfeldern durchgeführt und angewendet: Sie reichen von wissenschaftlichen Fragestellungen der Biotechnologie, Gentechnik oder Energietechnik bis zu angewandten Feldern der Abfallplanung, Mobilitätsdienste oder der Stadtplanung. Die Herangehensweise, Planung und Durchführung dieser Verfahren ist meist sehr ähnlich.
Zur Planung eines Diskursverfahrens sind in der Regel drei Verfahrensschritte notwendig: Analyse und Auswahl, Planung und Durchführung des Verfahrens sowie die Umsetzung und Auswertung.