Praxisbeispiel Bildungsnetzwerk Pestalozzi

Eine Zukunftswerkstatt der Robert-Jungk-Stiftung Salzburg

An die 100 Zukunftswerkstätten-Projekte hat die Robert-Jungk-Stiftung in Salzburg in den letzten fünfzehn Jahren durchgeführt. Ausgangs- und Zielpunkt war dabei immer das Motto des Begründers der Methode, Robert Jungk, der davon überzeugt war, dass eine lebendige Demokratie sowie eine aktive Zivilgesellschaft nur möglich seien, wenn wir »Betroffene zu Beteiligten machen«.

Warum die Zukunftswerkstatt?

Durch Kooperation, also die Verwandlung von Betroffenen zu Beteiligten, ein neues Projekt auf die Beine zu stellen, war das Ziel der Zukunftswerkstatt »Bildungsnetzwerk Pestalozzi«, die der Verfasser gemeinsam mit Walter Spielmann im Auftrag des Integrationsbüros der Stadt Salzburg am 2. Oktober 2010 anleiten konnte. Gastgeberin der Zukunftswerkstatt war die Salzburger Pestalozzi-Schule.

Die Pestalozzi-Schule liegt im »Bahnhofsviertel«, einem Stadtteil mit hohem Zuwanderer-Anteil und einem überdurchschnittlichen Anteil sozial Benachteiligter. Dies stellt die Pestalozzi-Schule vor große Herausforderungen, andererseits sieht sich die Schule als Katalysator einer aktivierenden Stadtteil-Entwicklung ebenso wie als Motor der Schaffung fördernder Bedingungen für die Kinder im Stadtteil.

Die Zukunftswerkstatt sollte in die Gründung eines »Bildungsnetzwerkes« münden, in dem alle relevanten Einrichtungen des Stadtteils zum Wohl der Kinder und Jugendlichen zusammenarbeiten. Es ging darum, Menschen aus unterschiedlichen Einrichtungen zusammenzubringen, die zu einer guten Entwicklung von Kindern und Jugendlichen im Stadtteil beitragen können.

Aus der gastgebenden Pestalozzi-Schule wirkten die Leiterin, drei Kolleginnen sowie zwei Muttersprachen-Lehrer/innen mit; darüber hinaus waren aus dem Stadtteil der Pfarr-Kindergarten, die Musikschule, das Christian-Doppler-Gymnasium sowie die Pfarre vertreten. Und als »externe« Einrichtungen brachten die Pädagogische Hochschule, der Landesschulrat, die Bewohnerservice-Stellen, die mobile Jugendberatung und selbstverständlich das Integrationsbüro der Stadt Salzburg als Initiatorin ihr Knowhow und ihre Ideen ein.

Von der Bestandsaufnahme bis hin zu konkreten Projektskizzen

Der Ablauf der Zukunftswerkstatt erfolgte im bekannten Dreischritt von der Erfassung des Ist-Zustandes über das gemeinsame Entdecken von Zukunftsideen bis hin zur Ausarbeitung konkreter Projektvorschläge. Einer Bestandsaufnahme bisheriger Erfolge und bestehender Ressourcen, auf denen auch in Zukunft aufgebaut werden könnte, folgte die Benennung der aktuellen Herausforderungen.

In einem nächsten Schritt wurden mögliche Zukunftsideen für ein Bildungsnetzwerk Pestalozzi gesammelt. Hierfür teilten wir die Teilnehmer/innen in zwei Untergruppen. Gruppe A arbeitete zum Themenbereich »Schule«, Gruppe B zum Themenbereich »Aufwertung des Stadtteils«. Die Vorschläge wurden in der Folge jeweils in der Gesamtgruppe präsentiert und durch weitere Ideen angereichert. Die Ideen reichten von der besseren Nutzung der Ressourcen vor Ort und der frühen und besseren Einbindung der Eltern (»Elternbildung«) bis hin zur Etablierung eines Stadtteilzentrums, eines sogenannten »Wandlungshauses«.

Im dritten Teil der Zukunftswerkstatt galt es, Projektskizzen zu einzelnen Ideen zu entwickeln. Vier Themenvorschläge wurden schließlich ausgewählt und in der »Ideenschmiede« in Kleingruppen anhand des Fragenrasters »Was« – »Warum« – »Wie« – »Wer« – »Bis wann« vertiefend bearbeitet.

Was wurde entwickelt?

Jenseits des Unterrichts sollte die Pestalozzi-Schule weiterentwickelt werden zu einem Zentrum mit Angeboten wie Ergotherapie, Logopädie und Moto­therapie, einer schul­psychologischen Beratungsstelle und einer attraktiven Nachmittagsbetreuung. Die Stadtteilplanung sollte forciert werden und mit einer Stadtteilerhebung unter den Bürger/innen sowie einem Symposium starten. Vertiefend bearbeitet wurde auch die Idee einer »Verwandlungsstätte« als Ort der Begegnung und des kulturellen Austausch sowie der kulturellen Auseinandersetzung. Schließlich sollte das »Bildungsnetzwerk Pestalozzi« als Gremium für Kooperation und für die Nutzung von Synergien als Bildungsträger im Stadtteil institutionalisiert werden, eines der Ziele der Auftraggeber der Zukunftswerkstatt.

Was konnte umgesetzt werden?

Die ausgearbeiteten Projektskizzen waren von hoher Qualität und stellten auch hohe Ansprüche, die nicht ohne zusätzliche Ressourcen zu bewältigen sein würden. Anja Hagenauer vom Integrationsbüro der Stadt Salzburg (und seit 2013 neue Vizebürgermeisterin der Stadt Salzburg) berichtete mir auf Anfrage, dass die »großen Brocken« wie der Ausbau der Schule zu einem psychosozialen Beratungszentrum oder die Etablierung eines Stadtteilzentrums (bislang) leider nicht umgesetzt werden konnten. Der Erfolg der Zukunftswerkstatt sei jedoch darin gelegen, dass am ganzheitlichen Integrationskonzept und der Kooperation der mitwirkenden Einrichtungen festgehalten wurde. »Miteinander tun« ist als konkretes Projekt aus der Zusammenarbeit entstanden. Angehende Lehrer/innen der Pädagogischen Hochschule Salzburg übernehmen darin für sechs Monate die Patenschaft für ein Volksschulkind, um mit ihm Freizeitaktivitäten durchzuführen. »Egal ob Ausflüge in den Zoo, ins Theater oder in ein Museum, Spaziergänge oder sportliche Aktivitäten – die Student/innen haben freie Hand, mit den Kindern gemeinsam ihr Freizeitprogramm zu entwickeln«, berichtet Anja Hagenauer. Das Ziel eines »Bildungsnetzwerks« im Stadtteil war Realität geworden.