Methodenbeschreibung

Seite 1: Methode

Das World Café ist ein Format, das den Austausch von Wissen, die Entwicklung neuer Ideen und gemeinschaftlichen Dialog ermöglicht. Die Teilnehmer/innen diskutieren in Kleingruppen à 4 bis 5 Personen zu vorbereiteten Fragen rund um kleine Tische sitzend. Mehrmals wechseln die Teilnehmer/innen an einen neuen Tisch. Auf diese Weise werden die nachfolgenden Gespräche durch Beiträge aus vorhergehenden Gesprächen befruchtet, Ideen verbinden sich mit anderen und Neues kann entstehen.

Gute Gespräche können die Welt – jedenfalls im Kleinen, möglicherweise auch im Großen – verändern. Doch wie müssen Gespräche gestaltet sein, damit Menschen sich öffnen, einander zuhören und verstehen, gemeinsam kreativ sind und kollektiv denken?

Das World Café ist ein Format, das den Austausch von Wissen, die kooperative Entwicklung neuer Ideen und gemeinschaftlichen Dialog ermöglicht. Die Intimität der parallel stattfindenden kleinen Gesprächsrunden ermöglicht einen offenen, gleichberechtigten Dialog und authentische Begegnungen.

Entstehung

Das Format World Café entstand spielerisch aus einer misslichen Lage heraus, wie Juanita Brown, eine amerikanische Unternehmensberaterin, beschreibt. Sie und ihr Partner David Isaacs, die als Begründer der Methode gelten, hatten einen Tag mit 20 Personen – Teil eines Strategie-Prozesses für ein Unternehmen – geplant, der im Freien stattfinden sollte. Aber es regnete in Strömen, also bauten sie kurzerhand ihr Wohnzimmer um, stellten mehrere kleine Tischchen mit Stühlen auf. Da ihnen und auch den Teilnehmer/innen das Kaffeehaus-Ambiente gefiel, legten sie Marker und Flipcharts als Tischtücher auf die Tische und beschlossen, so zu arbeiten. Nach einer Stunde angeregter Diskussion, in der die Teilnehmer/innen auf dem »Tischtuch« zu kritzeln begonnen hatten und Schlüsselbegriffe und Ideen notierten, rief einer: »Ich bin neugierig, welche Ideen die anderen an den übrigen Tischen entwickelt haben. Wieso bleibt nicht einer sitzen und alle anderen wechseln …« Die Grundidee des neuen Formats war geboren.

Grundannahmen

Das World Café baut auf folgenden Annahmen auf:

  • Jeder Mensch interpretiert die Welt auf seine Weise, basierend auf mentalen Modellen. Nur durch das einander Zuhören und Verstehen anderer Realitäten entsteht ein neues Verständnis für mögliche weitere Handlungswege. Aus den je einzelnen Perspektiven kann sich so ein gemeinsames Verständnis für neue Handlungsoptionen für das ganze System entwickeln.
  • Menschen tragen das Wissen und die Kreativität in sich, um Lösungen auch für große Herausforderungen zu entwickeln.
  • Das World Café ermöglicht, im intensiven Dialog auf oft auch unbewusste Ressourcen zuzugreifen und damit die kollektive Weisheit als Gruppe oder Organisation zu entdecken und zu nutzen.
  • Eine Gruppe von Menschen ist zusammen weiser und kreativer als einzelne Individuen. Das Zusammenwirken des Wissens und der Kreativität in Gruppen kann zu Gruppenentscheidungen führen, die besser sind als die Lösungsstrategien einzelner Teilnehmer/innen.

Zielsetzung

Das Ziel des World Cafés ist die gemeinschaftliche Innovation durch Gruppengespräche und das Eröffnen neuer Sichtweisen und Handlungsoptionen für bestehende Aufgaben oder zukünftige Herausforderungen. Es geht nicht nur darum, existierendes Wissen auszutauschen, sondern vor allem darum, neues kollektives Wissen zu generieren.

Anwendung

Das World Café ist besonders gut geeignet

  • für die Beteiligung großer Gruppen (mehr als zwölf Personen bis zu mehreren Hundert)
  • zum Austausch von Wissen und zur Entwicklung neuer Ideen/Lösungen
  • zur tiefgehenden Exploration von Herausforderungen
  • für das Ausloten von Handlungsmöglichkeiten
  • für die Beteiligung von Menschen an authentischen Gesprächen mit Personen, die einander kennen oder sich noch nie gesehen haben
  • für die Vertiefung von Beziehungen innerhalb existierender Gruppen.

Das World Café ist eher nicht geeignet,

 

  • wenn bereits eine bestimmte Lösung angepeilt wird
  • wenn es um detaillierte Planungen geht
  • wenn weniger als 12 Personen involviert sind.

Das Café-Format ist flexibel und kann an verschiedene Gegebenheiten angepasst werden. Je nach Thema kann es auch spezifisch benannt werden, etwa Strategie-Café oder Nachbarschafts-Café.

Seite 2: Ablauf

Ablauf

Während eines World Cafés erforschen die Teilnehmer/innen ein Thema durch Gespräche in Kleingruppen von vier bis fünf Personen entlang vorbereiteter Fragen. Die aufeinander aufbauenden Gesprächsrunden – meist drei – dauern in der Regel 20–30 Minuten. Je nach Kontext, Thema und gewünschtem Ergebnis können aber auch mehr oder längere Gesprächsrunden sinnvoll sein. Während des Gesprächs, das bestimmten Gesprächsregeln folgt, sind alle aufgefordert auf dem »Tischtuch« die Beiträge festzuhalten, zu kritzeln, zu zeichnen, zu schreiben. Nach jeder Gesprächsrunde wechseln die Teilnehmer/innen an einen anderen Tisch. Eine Person, die Tischgastgeber/in, bleibt jeweils am Tisch sitzen, und fasst für die neuen Gesprächsteilnehmer/innen kurz die wesentlichen Punkte des vorangegangenen Gesprächs zusammen. Das World Café wird mit einer Plenumsphase abgeschlossen, in der die Ergebnisse der Kleingruppenphase an den Tischen vorgestellt und diskutiert werden.

Vorbereitung

Kollektive Klarheit schaffen im Vorbereitungsteam

Dieser Vorbereitungsschritt ist essenziell für jedes Beteiligungsformat: Das Vorbereitungsteam klärt den Sinn und Zweck des Prozesses.

  • Warum soll dieser Prozess stattfinden?
  • Welches Ziel/welche Ziele wollen wir damit erreichen?
  • Was ist das bestmögliche Ergebnis, das wir erzielen wollen?
  • Wie lautet die zentrale Frage, auf die wir durch diesen Prozess eine Antwort finden wollen?

Die Formulierung einer Frage hilft dem Team, sich bei der Vorbereitung und Durchführung auf das Wesentliche zu fokussieren. Diese strategischen Klärungsschritte erzeugen die nötige Klarheit im Vorbereitungsteam und damit Energie für den Prozess.

Kraftvolle Fragen formulieren

Die Qualität der Fragen, die im Rahmen des World Cafés die Diskussion anregen sollen, ist entscheidend für den Erfolg der Veranstaltung. Daher gilt es, dem Formulieren der Fragen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Eine kraftvolle Frage

  • ist einfach und klar
  • weckt Neugier und regt an
  • erzeugt Energie und Fokus
  • eröffnet neue Perspektiven
  • führt zu neuen, tiefergehenden Fragen.

Eine lebhafte Diskussion entsteht nur dann, wenn die Fragen für die Teilnehmer/innen relevant sind. Es empfiehlt sich, die ausgewählten Fragen an Personen zu testen, die teilnehmen werden, um zu sehen, ob sie die gewünschte Energie erzeugen.

Weitere Charakteristika von guten World Café-Fragen:

  • Bezug auf aktuelles Anliegen oder aktuelle Herausforderung der Teilnehmer/innen
  • Offene Fragen, also keine, die man mit Ja oder Nein beantworten kann
  • Fragen, die zur Exploration von Möglichkeiten einladen
  • Fragen, die nicht individuelle Erfahrungen erfragen, sondern gemeinsames Nachdenken über etwas anregen (»Was ist, wenn wir …?«)
  • Prozessorientierte Formulierungen (z.B. statt »Was hast du aus dieser Erfahrung gelernt?« »Was kannst du weiterhin aus dieser Erfahrung lernen?)
  • Fragen, die möglichst frei von Annahmen sind (nicht: »Wie können wir das besser machen?«, sondern: »Welche neuen Möglichkeiten bietet diese herausfordernde Situation?«)
Tipp

Gute Fragen erzeugen Engagement, Lust an der Entdeckung von Neuem und regen die Kreativität der Teilnehmer/innen an.

Einladen der Teilnehmer/innen

Nach der Entscheidung, wer zur Veranstaltung eingeladen wird, nach der Festlegung von Ort und Zeit, ist die Einladung zu gestalten und zu versenden. Der Titel der Veranstaltung soll Interesse bei den Empfängern wecken. Erfahrungsgemäß wirkt eine spannende Frage als Titel einladend, sie weckt Interesse, Antworten darauf zu entwickeln.

Einen gastfreundlichen Raum gestalten

Wenn Menschen sich eingeladen und wohl fühlen, tragen sie gerne zu einem Prozess bei. Es gilt also, für die Teilnehmer/innen eine einladende Atmosphäre zu schaffen. Das beginnt bei der Formulierung der Einladung, das gilt für den sozialen Raum, der durch die Veranstaltung kreiert wird, wie auch für den tatsächlichen Raum, in dem die Veranstaltung stattfindet.

Der soziale Raum
Wenn die Teilnehmer/innen sich sicher fühlen und sie selbst sein können, wird kreatives Denken, aufmerksames Zuhören und aktives Mittun möglich. Gemäß der Philosophie des World Café ist jede/r unverwechselbarer und unverzichtbarer Teil des Gesamtsystems. Die Café-Moderator/innen ermutigen alle Teilnehmer/innen zum Gespräch beizutragen. Indem sich alle aktiv beteiligen, werden das Wissen und die Weisheit der gesamten Gruppe zugänglich.

Der Veranstaltungsort
Die Gestaltung einer warmen und einladenden physischen Umgebung trägt erheblich zum Wohlbefinden der Teilnehmer/innen bei. Dazu zählen die allgemeinen Aspekte eines Raumes wie Helligkeit, natürliches Licht, gute Luft, angenehme Temperatur, bequeme Sitzgelegenheiten, wenn möglich ein Blick ins Grüne oder Pflanzen/Blumen im Raum.

Beim World Café wird zudem eine Umgebung geschaffen, die ein Gefühl der Intimität und Ungezwungenheit erzeugen soll – wie in einem Kaffeehaus.

Wie kann eine Kaffeehausatmosphäre für das World Café geschaffen werden?

  • Kleine Tische – rund oder eckig – für 4 bis 5 Personen. Die Anzahl von vier Personen ist ideal für ein Gespräch, an dem sich alle aktiv beteiligen. Bei mehr als fünf Personen ist die Beteiligung aller schwieriger oder unwahrscheinlicher. Außerdem zeigt sich, dass Gruppen ab sechs Personen dazu tendieren, sich in zwei Untergruppen zu teilen.
  • Die Tische versetzt und locker im Raum verteilt aufstellen, die Stühle rundherum.
  • Auf die Tische – mit oder ohne Tischtücher – kommen die »Arbeitstischtücher«: ein bis zwei Bögen Flipchartpapier sowie mehrere verschiedenfarbige Marker/Stifte. Wenn ausreichend Platz ist, können die Tische auch mit einer kleinen Vase mit Blumen dekoriert werden.

Falls der Platz für Tische nicht ausreicht oder keine kleinen Tische vorhanden sind, kann das World Café auch im Sesselkreis gemacht werden: Die Flipchartpapiere und die Stifte liegen auf dem Boden, die vier Stühle im Kreis. Auf dem Papier liegen A6-Post-its, auf die die Teilnehmer/innen Notizen machen und das Post-it auf das Papier in ihrer Mitte kleben.

Fehlende Tische können durch Platten aus Sperrholz oder Styropor ersetzt werden, die auf die Größe eines Flipchartpapiers geschnitten sind und auf die ein Bogen Papier geklebt oder gepinnt wird. Jede Vier-Personen-Runde nimmt sich eine »Tischplatte«, platziert sie auf den Knien und kann so bequem schreiben. Danach können die »Tische« wieder in die Ecke gestellt werden.

Seite 3: Durchführung

Durchführung eines World Cafés

Eröffnung und Einleitung

Ein World Café wird von einem oder auch mehreren Moderator/innen – je nach Gruppengröße – angeleitet. Nachdem die Teilnehmer/innen an den Tischen Platz genommen haben, begrüßt die Moderatorin/der Moderator und erläutert den Rahmen, die inhaltliche Ausrichtung, das Ziel des Treffens und den Ablauf.

Café-Etiquette

In einem World Café gibt es Konversationsregeln oder Umgangsformen: die Café-
Etiquette. Es handelt sich um eine Sammlung einfacher Prinzipien, die sich darin bewährt haben, eine bestimmte Qualität des Gesprächs zu befördern.

  • Fokussiere auf das Wesentliche.
  • Teile deine eigenen Gedanken mit.
  • Sprich mit Herz und Verstand.
  • Höre zu, um zu verstehen.
  • Knüpfe an Gedanken/Ideen deiner Gesprächspartner/innen an und verknüpfe Gedanken/Ideen zu Neuem.
  • Achte auf gemeinsame Erkenntnisse, Denkmuster und tiefgründige Fragen.
  • Geh spielerisch mit Gedanken um und schreibe, zeichne auf der Tischdecke mit.
Tipp

Es gibt verschiedene Varianten dieser Gesprächsregeln. Die Formulierungen können an den jeweiligen Kontext angepasst werden. Wesentlich sind die Vermittlung der ihnen innewohnenden Haltung des achtsamen Zuhörens und Sprechens, der Verantwortung jedes Einzelnen zum Gelingen des Ganzen und der lustvoll-spielerische Zugang zur gestellten Aufgabe. Diese Regeln sollten gut sichtbar im Raum hängen, während die Moderatorin/der Moderator sie vorstellt.

Die Gesprächsrunden

Wenn es keine Fragen mehr zum Ablauf gibt, leitet die Moderatorin/der Moderator über zur ersten Gesprächsrunde. Die erste Frage wird vorgestellt – visualisiert auf einem Flipchart oder auf einer Power-Point-Folie – , sie eröffnet das Gespräch.

Während der Gespräche geht die Moderation von Tisch zu Tisch, ermuntert zur aktiven Teilnahme und erinnert an das Notieren/Zeichnen der Ideen auf dem »Tischtuch«. Nach Ablauf der Zeit wird mittels eines akustischen Zeichens das Ende dieser Gesprächsrunde angekündigt.

Eine Person pro Tisch wird gebeten, am Tisch zu bleiben, die neuen Gäste zu begrüßen und kurz die Ergebnisse der ersten Runde vorzustellen; alle weiteren Teilnehmer/innen wechseln an neue Tische, möglichst so, dass sie mit neuen Gesprächspartnern am Tisch sitzen. Die »Reisenden« tragen zentrale Ideen, Themen und Fragen in die neuen Gespräche.

Mit jedem Tischwechsel werden die Fäden aus dem letzten Gespräch mit denen der neu Hinzugekommenen verknüpft – so kann Neues entstehen.

In der dritten Runde kehren die Teilnehmer/innen entweder wieder an ihren ersten Tisch zurück und führen ihre jeweiligen Entdeckungen zusammen oder sie wandern wieder weiter an einen neuen Tisch. Die Gastgeber/innen können an ihren Tischen bleiben oder auch bei jeder Runde wechseln. Diese möglichen Varianten sollten im Vorfeld überlegt und festgelegt werden.

Es kann in der Veranstaltung einer einzigen Frage nachgegangen werden, die über mehrere Runden hindurch exploriert wird. Oder es sind mehrere Fragen, die die Entdeckungsreise durch mehrere Runden des Dialogs logisch weiter entwickeln und unterstützen.

Wenn die Gespräche an den Tischen hitzig werden und viele gleichzeitig sprechen, kann es empfehlenswert sein, einen Redegegenstand – einen Stein, einen Stift oder ein sonstiges Objekt – einzusetzen: Nur wer den Redegegenstand in der Hand hält, spricht. Alle anderen hören zu, bis der Gegenstand wieder in der Mitte liegt und der oder die nächste ihn in die Hand nimmt und zu sprechen beginnt.

Abschluss

Nach mehreren Runden erhalten die Teilnehmer/innen die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse und Ergebnisse aus den Gesprächsrunden mit der ganzen Gruppe zu teilen.

Die Ergebnisse können auf unterschiedliche Weise festgehalten und der gesamten Gruppe zugänglich gemacht werden:

  • Essenzen auf Kärtchen oder Post-its
    Die Teilnehmer/innen werden gegen Ende der letzten Gesprächsrunde aufgefordert, an jedem Tisch drei bis vier Essenzen – Ideen, Einsichten, Entdeckungen – auf Karten oder auf A5-Post-its festzuhalten. Diese werden dann reihum im Plenum von den Teilnehmer/innen vorgestellt.
  • Clustern
    Die Essenzen auf Kärtchen oder Post-its werden anschließend an der (Pinn-)Wand geclustert.
  • Graphic Recording
    Ergebnisse und Einsichten werden während der Präsentation von einer Person mit Hilfe von textlichen und grafischen Elementen festgehalten.
  • Gallery Walk
    Die »Tischtücher« aller Tische werden an die Wand gepinnt oder an einer Leine aufgehängt. Sie können bei einem Rundgang von den Teilnehmer/innen begutachtet werden.
  • Café-Zeitung
    Die Ergebnisse werden in einer Zeitung oder einem Bilderbuch zusammengefasst und herausgegeben und damit einem größeren Publikum zugänglich gemacht.

Als Abschluss kann die Moderatorin/der Moderator mit der gesamten Gruppe noch eine kurze Reflexion anleiten mit dem Ziel, die wichtigsten Einsichten zu sichern, entstandene Muster zu erkennen oder die nächsten möglichen Schritte anzudenken.