Praxisbeispiel Mediation und Beteiligung zum Bürgerzentrum Böheimkirchen

In der wachsenden niederösterreichischen Marktgemeinde Böheimkirchen platzte das alte Rathaus schon seit einiger Zeit aus allen Nähten. Der Gemeinderat wollte daher ein neues Rathaus errichten, ein modernes und kundenfreundliches Bürgerzentrum mit einem Veranstaltungssaal. Als im Herbst 2012 das Siegerprojekt eines Architektenwettbewerbs präsentiert wurde, wurden besorgte Fragen aus der Bevölkerung laut, und Widerstand gegen das Projekt formierte sich: »Können wir uns ein so teures Projekt überhaupt leisten? Welche anderen Vorhaben sind damit nicht mehr möglich? Wie groß ist der Platzbedarf für Verwaltung und Veranstaltungen wirklich? Geht bei dem neuen Standort am Parkeingang nicht zu viel Grünraum verloren?« Binnen kurzer Zeit bildete sich eine Bürgerinitiative, woraufhin der Gemeinderat beschloss, die weitere Projektentwicklung im Rahmen eines Mediationsverfahrens mit Bürger/innenbeteiligung fortzusetzen.

Bedarfsgerechte und breit unterstützte Lösung finden

Ziel des Mediationsverfahrens war es, bis zum Sommer 2013 eine Lösung für das Bürgerzentrum Böheimkirchen zu finden, die von möglichst vielen Beteiligten mitgetragen wird, die den Bedarf gut abdeckt und die leistbar ist.

Auch für Veranstaltungsräumlichkeiten und die zukünftige Unterbringung der Polizei sollte eine Lösung gefunden werden. Sobald ausreichend ausgereifte Varianten vorliegen würden, sollte auch die Bevölkerung in einer Veranstaltung um Rückmeldung gebeten werden.

Am Mediationsprozess teilgenommen haben zehn Personen aus dem Vorstand des Gemeinderates (Bürgermeister, sein Stellvertreter und Vertreter/innen aller politischen Parteien), der Amtsleiter, drei Personen der Bürgerinitiative, zwei Vertreter der Wirtschaft, ein Vertreter der Polizei sowie verschiedene Experten (Architekt, Raumplaner, Verkehrsplaner), die bei Bedarf hinzugezogen wurden.

»Knackpunkte« im Mediationsverfahren

In fünf intensiven Gesprächsrunden (November 2012 – August 2013) und einigen Zwischenbesprechungen, unterstützt durch zahlreiche Erhebungen, Vorbereitungen und externe Experten, wurde die große Themenfülle strukturiert bearbeitet, wobei auch eine zu Beginn unterzeichnete Arbeitsvereinbarung hilfreich war.

Die Anfangsphase der Mediation erlebten manche Teilnehmer/innen als »Verlangsamung«, weil viel Zeit dafür aufgewendet wurde, Themen zu sammeln, zu strukturieren und um Informationsgleichstand herzustellen. »Wir haben nur Kärtchen sortiert« oder »In dem Tempo werden wir ja nie fertig« – das waren typische Rückmeldungen in dieser Phase. Am Ende des Mediationsverfahrens waren sich aber alle Beteiligten einig, dass es wichtig war, diese Zeit zu investieren.

Am Ende jeder Mediationssitzung wurde gemeinsam ein kurzer Text für die Information der Öffentlichkeit verabschiedet, der auf der Website der Marktgemeinde publiziert wurde. Durch diese gemeinsam gestalteten Texte wurde auch sichergestellt, dass alle Beteiligten das gleiche Verständnis bzgl. der Zwischenergebnisse, der nächsten Schritte und allfälliger vertraulicher Informationen hatten.

Wie wichtig der Konsens bei der Kommunikation nach außen hin generell ist, zeigte sich auch kurz darauf in einem anderen Beteiligungsverfahren in Wien, in dem es nicht gelang, eine gemeinsam getragene Öffentlichkeitsarbeit zu erreichen. Voneinander abweichende Darstellungen und veröffentlichte Vorwürfe machten dort den zuvor erreichten Vertrauensgewinn und kooperativen Lösungswillen mehrmals wieder zunichte.

Die Mediationsgruppe in Böheimkirchen trug in aufwendiger Detailarbeit Daten zum Raumbedarf der Verwaltung und für Veranstaltungen zusammen, wodurch eine breite Akzeptanz der Planungsgrundlagen und optimierte Raumkonzepte entstanden.

So entstand beispielsweise die Idee, durch die optionale Verbindung eines Sitzungssaales und eines Trauungssaales einen Raum zu schaffen, der auch für Veranstaltungen für bis zu 180 Personen genutzt werden kann. Nach mehreren Optimierungsschritten lagen die Kostenschätzungen für die neuen Varianten um 0,4 bis 2,5 Mio. Euro unter den Kosten der ursprünglichen Projektvarianten des Siegerprojekts.

Überraschende Lösung an einem neuen Standort

Zu Beginn der Mediation waren einige Beteiligte dagegen, den geplanten Standort des neuen Bürgerzentrums am Parkeingang noch einmal zur Diskussion zu stellen. Nach drei Monaten wurde aber eine neue Standortoption ins Spiel gebracht, weil ein bisher unverkäufliches Gebäude neben dem alten Rathaus nun zur Verfügung stand. Zu diesem Zeitpunkt waren die Gesprächsbasis und die Kooperationsbereitschaft in der Mediationsrunde bereits so weit entwickelt, dass sofort Konsens darüber bestand, die neue Option zu prüfen, die sich dann schnell zur gemeinsam getragenen Lösung entwickelte.

Das optimierte Raumkonzept wird nun am Standort des alten Rathauses, in Kombination mit einem angrenzenden Neubau umgesetzt. Die Polizei wird nicht, wie ursprünglich geplant, im neuen Bürgerzentrum untergebracht, sondern in einem Neubau an einem besser geeigneten Standort. Lösungen für Veranstaltungen mit über 200 Personen werden im Rahmen eines neuen und breiten Marktentwicklungsprozesses gesucht werden.

Dieses Lösungspaket wurde in einer Abschlussvereinbarung von allen Beteiligten unterzeichnet und abschließend der Bevölkerung in einer Veranstaltung vorgestellt. Die neuen Vorschläge wurden von den über 150 anwesenden Personen sehr positiv aufgenommen. In kleinen Tischrunden wurden außerdem Fragen und viele wertvolle Rückmeldungen für die weitere Planung gesammelt und anschließend im Plenum präsentiert. Der begonnene Weg der Bürger/innenbeteiligung soll auch zukünftig fortgesetzt werden.

Bürgermeister Eigenbauer:
»Ich bin sehr zufrieden mit der gelungenen Bürgerbeteiligung und froh über das einstimmige Ergebnis. Für die weitere Arbeit war es auch wichtig, dass sich viele Bürgerinnen intensiv mit der zukünftigen Ortsentwicklung auseinandergesetzt haben.«