Praxisbeispiel Erweiterung eines Flüchtlingsheims

Dialog kontra fremdenfeindliche Meinungsmache

Die Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen ist ein emotional sehr beladenes Thema. Sehr schnell wird es zu einem Politikum in der Öffentlichkeit. Wenn dies nicht bearbeitet wird, kann es zu schweren Auseinandersetzungen führen, wie im August 2013 in Berlin-Hellersdorf. Oder es wird sogar Gewalt angewendet wie in Rostock-Lichtenhagen. Mediation als Verfahren der konstruktiven gewaltfreien Konfliktlösung zeigt einen anderen Weg auf.

Auslöser für eine solche Vermittlung im Stadtbezirk Köln-Lindenthal war die Ende 2012 geplante Erweiterung eines Flüchtlingsheims. Am vorgesehenen Ort existierte schon seit 20 Jahren eine Unterkunft für Flüchtlinge. Die zunehmende Zahl von Flüchtlingen, für die die Stadt Köln eine Verpflichtung zur Unterbringung hat, machte weitere Überlegungen und Planungen nötig.

In der damaligen Situation ergaben sich für die Stadtverwaltung folgende Vorteile für diesen Standort: ein kurzfristig verfügbares Gelände im Eigentum der Stadt und ein rechtlich gesicherter Standort. Zudem, hieß es, sei die Nachbarschaft schon an die Unterbringung der Flüchtlinge gewöhnt, dies erleichtere einen ergänzenden Neubau.

Die Nachbarschaft besteht aus einer Eigentümer-Wohnanlage mit 800 Eigentümer/innen, die in zwei Eigentümergemeinschaften organisiert ist. In der Vergangenheit hatte es – aus Sicht der Anwohner/innen – einige Vorfälle mit den Flüchtlingen ergeben, sodass die Anwohner/innen negativ bis äußerst negativ eingestellt waren. Sie betonten deutlich und eindringlich, dass sie eine Erweiterung der Unterkunft verhindern wollten. Weitergehend hieß es: Dieses Heim soll nun, nach über 20 Jahren, endgültig weg.

Die Mediation in Köln-Lindenthal

Als stellvertretender Bezirksbürgermeister in Köln-Lindenthal und Mediator wollte ich eine Eskalation des Konflikts um die Erweiterung der Flüchtlingsunterkunft verhindern. Beteiligt an der lokalen Mediation rund um die Erweiterung des Flüchtlingsheims wurde nur die direkt betroffene örtliche Bürgerschaft.

Durch diesen engen Kreis war es möglich, die zuständige Verwaltung der Stadt Köln für das Gespräch zu gewinnen. Meine Absicht war es, vor dem politischen Auftrag zur Erweiterung der Flüchtlingsunterkunft, der vom Rat an die Verwaltung gegeben wird, eine Mediation durchzuführen.

Die Verwaltung leistet in der Regel die inhaltliche Vorbereitung zu den politischen Beschlüssen und hat die entsprechenden Informationen. Sie hat aber das formale Problem, dass sie ohne politischen Beschluss nicht in ein Gespräch eintreten kann – mit wem auch immer. Der vertrauliche Rahmen, der enge Kreis der Beteiligten und ein Gespräch ohne die aktive Beteiligung der Politik boten die Voraussetzungen für die Teilnahme der Verwaltung.

Hilfreich war das Vertrauen der Verwaltung zu mir in meiner Funktion als stellvertretendem Bezirksbürgermeister, der um die »Nöte« der Verwaltung weiß und so Brücken bauen kann. Unterstützung kam durch unsere Bezirksverwaltung, also von »Verwaltung zu Verwaltung«. Der Bezirksamtsleiter hat in einem Gespräch mit der Verwaltung um Zutrauen und Vertrauen zu dieser Mediation geworben. Auch vom Vorsitzenden des Runden Tisches wurde an die Verwaltung die Empfehlung ausgesprochen mitzumachen.

Die Bürger/innengemeinschaft vor Ort war mittels eines Telefonats und einer Einladung relativ schnell gewonnen. Allein die frühzeitige Ansprache und Beteiligung war für sie wertvoll genug, um sich in den Diskurs einzubringen. Zudem half der offizielle Rahmen: Ort des Gespräches war das Bezirksrathaus Lindenthal und die Einladung sprachen der stellvertretende Bezirksbürgermeister und alle Fraktionen aus.

Im Vorfeld hatte ich die Fraktionen der Bezirksvertretung Lindenthal (CDU 6, Bündnis 90/Grüne 5, SPD 4, FDP 2) und den Einzelverteter der Linken über das geplante Gespräch informiert. Der Vertreter von »Pro Köln« wurde nicht einbezogen. Die Fraktionen sollten als Einlader für das Gespräch unterstützend wirken. Die Fraktionsvorsitzenden und interessierte Mandatsträger waren im so genannten Außenkreis am Gespräch beteiligt, wirkten aber nicht aktiv mit.

Ablauf und Besonderheiten der Mediation

Es handelte sich um eine normale Mediation. In der Einladung hatte ich einfach von einem »Gespräch« zur Klärung der Frage der Erweiterung des Flüchtlingsheims gesprochen. Ob wir dann in eine Mediation eintreten konnten und wollten, habe ich den Teilnehmer/innen überlassen. Speziell war nur die Vertrauensstellung des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters als Mediator. So konnten die Beteiligten kurzfristig gewonnen werden und der Rahmen vertraulich und nicht-öffentlich bleiben.

Im kleinen Sitzungssaal des Bezirksrathauses waren 15 Vertreter/innen der Anwohner/innen und drei Vertreter/innen der Stadtverwaltung Köln zum Gespräch zusammengekommen. Ergänzend waren Vertreter/innen aus allen Parteien und der Bürgeramtsleiter anwesend. Nach einer kurzen Begrüßung und einer Einführung in das Thema »Unterbringung von Flüchtlingen am bestehenden Flüchtlingsheim« ergab sich ein offenes Gespräch der Beteiligten über die Positionen »Erweiterung« und »Ablehnung« des Flüchtlingsheims. Durch Klären und Erhellen der Interessen und Bedürfnisse konnte schließlich ein konstruktiver Weg für das gemeinsame »Wie« gefunden werden, der dann zu einer einmütigen Lösung führte.

Im Verlauf der Mediation wurde eine Reihe von einvernehmlichen Lösungsvorschlägen erarbeitet. Ich hatte die Punkte notiert und mündlich am Ende vorgetragen und nachgefragt, ob diese so stimmten. Zur Absicherung wurde die von mir dokumentierte Vereinbarung an die Beteiligten versandt mit der Bitte um schriftliche Zustimmung. In der Mediation war beschlossen worden, dass diese Vereinbarungen anschließend mittels eines politischen Beschlusses gefestigt werden sollten.

Umgang mit der Presse

Im Vorfeld hatte ich die lokalen Zeitungen über den Plan der Erweiterung des Flüchtlingsheims und die Mediation informiert. Ich bat um eine Zurückhaltung bis nach dem Gespräch, um den Erfolg nicht zu gefährden. Da die Journalist/innen mich als Mediator und stellvertretenden Bezirksbürgermeister kannten, fand diese Bitte offene Ohren. Die Presse war somit bei dem Gespräch nicht anwesend. Nachdem die Vereinbarung von beiden Seiten abgesegnet worden war, wurde die Presse von mir informiert. Sie hat dann positiv über das Ergebnis und die erreichten Inhalte berichtet.

Die Ergebnisse und deren Umsetzung

Es wurde vereinbart:

  • in den Häusern Bewohner/innen aufzunehmen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Bleiberecht haben werden,
  • durch die Verwaltung sicherzustellen, dass die Bewohner/innen mit ausreichendem Personal effizient sozialtherapeutisch und ordnungspolitisch begleitet und betreut werden,
  • kompetente Gesprächspartner/innen in der Verwaltung zu benennen, die den Bewohner/innen der Liegenschaft, den direkten Anwohner/innen und Weidener Bürger/innen vor Ort als Ansprechpartner für alle Fragen zur Verfügung stehen,
  • für den Gesamtraum eine Sozialraumanalyse in Auftrag zu geben.

Die Vereinbarungen wurden als gemeinsamer Antrag aller Fraktionen und des Einzelmandats der Linken in die Bezirksvertretung Lindenthal eingebracht und einstimmig verabschiedet. Dem folgte dann der zuständige Ratsausschuss, indem er die Vereinbarung für alle Erweiterungen von Flüchtlingsheimen übernahm. Neben der politischen Absicherung war die im Gespräch signalisierte Zustimmung der Verwaltung in der Umsetzung immens wichtig.

Ein Knackpunkt der Mediation war die Frage, wie die schlechten Erlebnisse und Erfahrungen mit dem Flüchtlingsheim in den letzten 20 Jahren abgeschlossen werden konnten. Dies gelang, weil im vertrauten Rahmen darüber offen gesprochen werden konnte. Erst so konnte eine Chance für eine Erweiterung in der Zukunft hergestellt werden.