Umsetzung

Wichtige Prinzipien bei der Umsetzung

In der Regel sind die Akteur/innen eines Forumtheater- oder Legislativen Theaterprozesses Menschen, die von einer Thematik oder Problematik selbst betroffen sind. Sie werden im Prozess der Themenfindung und Stückentwicklung von erfahrenen Jokern (=Menschen die Forumtheaterprozesse anregen, begleiten, moderieren) unterstützt, angeregt und begleitet: Die Joker vermitteln spezielle Theatermethoden und -werkzeuge, mit denen die Akteur/innen des Theaterprojektes die für sie relevanten Themen zum Ausdruck bringen und in Forumtheaterszenen verdichten können. Es ist auch möglich, dass die Darsteller/innen eines Forumtheaters eng mit Initiativen zusammenarbeiten und diese mit ihren Erfahrungen und Anliegen als »Informations- und Anliegenträger/innen« nutzen.

Die Prozesse sind ergebnisoffen gehalten. Welche Themen zu Inhalten von theatralischen Szenen werden, liegt in der Gestaltungsmacht der jeweiligen Gruppe. Und auch bei den Forumtheateraufführungen ist es jeweils offen, welche Einstiegsideen die Zuschauer/innen ausprobieren und welche politischen Vorschläge sie formulieren und artikulieren. Bei den Forumtheateraufführungen selbst sorgen die Joker für den Ablauf, die Einhaltung der Spielregeln sowie für die Vermittlung des Geschehens auf der Bühne und im Publikum.

Im Zuge der Formulierung der politischen Vorschläge als Ergebnis von FT/LT Projekten ist die Einbeziehung von Betroffenen sowie von Expert/innen eine wesentliche Erfordernis.

Organisatorischer Rahmen

Partizipative Prozesse mit dem Forumtheater und dem Legislativen Theater benötigen in der Regel eine Gruppe, die bereit ist, über mehrere Wochen, Monate und manchmal auch Jahre zusammenzuarbeiten und mithilfe von Theatermethoden an Themen, Konflikten und Anliegen zu arbeiten – was oftmals auch mühsam und herausfordernd sein kann. Es gibt aber auch Beispiele für komprimierte und zeitlich verkürzte Prozesse.

Weiter benötigen FT/LT-Projekte einen möglichst professionellen organisatorischen Rahmen, die Bereitschaft zu Recherche und intensiver inhaltlicher Auseinandersetzung sowie eine gute Vernetzungsarbeit zu Initiativen, NGO’s, Behörden und Politik.

Der kritisch-konstruktive Dialog zu behördlichen und politischen Entscheidungsträgern/innen ist umso bedeutsamer, wenn FT/LT-Projekte anders als in Rio de Janeiro nicht Teil des politischen Systems sind, sondern von außerhalb initiiert werden.

Stärken

Dieser methodische Zugang weist eine Reihe von besonderen Potenzialen und
Stärken auf:

 

  • LT/FT spricht unterschiedliche Sinne an, erlaubt Empathie und Verstehen, aktiviert zum Mitdenken und Mittun, ermöglicht Perspektivenwechsel, kann Denkanstöße und Handlungsimpulse geben und ist gemeinschaftsbildend.
  • Komplexe Themen können verdichtet, vielschichtig und realitätsbezogen dargestellt werden und dabei gerade auch die emotionalen Ebenen sichtbar und spürbar machen. Dementsprechend sind die dabei entwickelten Lösungsvorschläge umfassend, vielfältig, vielschichtig und oft auch ineinandergreifend. 
  • FT/LT verbindet Lebenswelten und Alltag der Menschen mit politischen, behördlichen und gesellschaftlichen Strukturen. Das Individuelle greift dabei in das Strukturelle über und umgekehrt: Individuelle Handlungsspielräume können entdeckt werden, es kann ein Bewusstsein für strukturell-politische Veränderungen entstehen. FT/LT macht bewusst, dass es beim Handeln immer auch um die Frage geht, wie die Verhältnisse sind, wo es Handlungsspielräume gibt und wodurch sie begrenzt sind oder scheinen.
  • Viele Menschen können bei den Aufführungen mitwirken: sie erhalten Einblicke und Einsichten und können durch Einstiege und Ideen zu einem breiten Bewusstseinsbildungs- und Partizipationsprozess beitragen.
  • Die Betroffenen kommen dabei – vermittelt über künstlerische Medien – kompetent und selbstbewusst zu Wort (»sie führen vor, werden aber nicht vorgeführt«) – nicht nur als Expert/innen ihres Lebens, sondern mit inhaltlich-politischer Expertise. Sie treten in Dialog mit anderen Gruppen von Menschen. Dabei werden Erfahrungen und Anliegen gemeinsam erzählt und dargestellt, die einzelnen Rollen werden zu Träger/innen verdichteter und verallgemeinerbarer Geschichten und Erfahrungen, die dennoch in ihrer subjektiv-individuellen Bedeutung nachvollziehbar sind.
  • Über seine ästhetische Kraft, die authentische Nähe zur Realität und die dialogische Kommunikation erweist sich FT/LT als wichtiger Türöffner in politische und behördliche Strukturen und trägt dazu bei, die Kluft zwischen Lebensrealitäten von Menschen und jener von Verantwortungsträger/innen zu überwinden.

Nachteile und Grenzen

Qualitative zufriedenstellende Beteiligungsprozesse mit FT/LT sind aufwendig: Sie brauchen gute Rahmenbedingungen, Vernetzungen, Ressourcen und Kontakte in die politischen Vertretungen, was mit viel Arbeit und oft auch hartnäckigem Dranbleiben verbunden ist.

Nicht immer gelingt es, über das erfolgreiche »Tür-Öffnen« hinaus politisch wirksam zu sein. Die bestehenden Machtverhältnisse markieren eine Grenze: Zwar sind einzelne Personen in Macht- und Entscheidungspositionen berührbar und erreichbar, für die Weiterarbeit an strukturellen Veränderungen fehlen aber oft die Ressourcen. Denn es muss in der Regel noch zusätzlich viel investiert werden, damit das, was sich bei einzelnen Entscheidungsträger/innen bewegt, auch wirklich wirksam werden kann.

Bei der Frage der Wirksamkeit auf der strukturellen Ebene werden immer wieder Grenzen aufgezeigt. FT/LT könnte umso wirksamer werden, je mehr es in politische Prozesse im Sinne partizipativer Demokratie verankert ist: Dazu braucht es über die »Türöffnerfunktion« hinaus nachhaltige, strukturelle und kontinuierliche Beteiligungsmöglichkeiten von Betroffenen.

Insgesamt zeigt sich, dass die Grenzen der Methode dann ausgeweitet werden können, wenn die Projekte gut mit anderen Initiativen mit ähnlichen Interessen vernetzt sind und wenn es gelingt, mediale Aufmerksamkeit und Präsenz im öffentlichen Raum zu erzeugen.