Geflüchtete

Seite 1: Integration heißt Teilhabe

Integration heißt Teilhabe

Nachdem im Jahr 2015 ca. 1,1 Mio. Geflüchtete nach Deutschland eingereist sind, ist die Anzahl der Einreisen für das Jahr 2016 mit ca. 350 000 stark zurückgegangen. Von Januar bis Dezember 2017 wurden 186.644 Asylsuchende in Deutschland registriert. Trotz dieses deutlichen Rückgangs stellt die Anzahl an Geflüchteten und ihre Aufnahme und Integration eine Herausforderungen an Politik, Verwaltung und Gesellschaft, die es auch in den kommenden Jahren zu bewältigen gilt.

Der längst begonnene Integrationsprozess konzentriert sich bislang zumeist auf Sprache, Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt. Ohne diese Herausforderungen gering zu schätzen, spricht sich beispielsweise das Netzwerk Bürgerbeteiligung für eine Erweiterung der Handlungsfelder und für einen Perspektivenwechsel aus: »Nur wenn die Geflüchteten selbst als aktiv Handelnde gewonnen und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, kann das neue Zusammenleben auf Dauer gelingen. Es geht um ihre Partizipation und ihr Engagement im Integrationsprozess.« (aus: Netzwerkimpuls »Integration braucht Beteiligung – Partizipation und Engagement von und mit Flüchtlingen« (pdf) Stand: 14. Juni 2016)

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Netzwerkthema »Integration braucht Beteiligung« des Netzwerks Bürgerbeteiligung und gute Beispiele für Partizipation und Integration

Wie auch andere Nichtdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund, sind Geflüchtete aus dem politischen Prozess weitgehend ausgeschlossen. Während jedoch Migranten/innen, je nach Herkunft, das kommunale Wahlrecht ausüben können (EU-Bürger) oder sich auch als Dritt-Staaten-Angehörige zumindest (in den meisten Bundesländern) durch die Einrichtung von Ausländerbeiräten an der Kommunalpolitik beteiligen können, haben Geflüchtete mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus keine Möglichkeit der direkten politischen Beteiligung.

Tipp

Ausländerbeiräte haben die längste Tradition in der jüngeren Geschichte kommunaler Beteiligungsangebote für Zugewanderte. Heute stellen Ausländerbeiräte, Migrations- und Integrationsräte eine meist freiwillige Möglichkeit dar, Einwohner/innen ohne Wahlrecht an der kommunalen Selbstverwaltung zu beteiligen. Der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat ist der Zusammenschluss der Landesarbeitsgemeinschaften der kommunalen Ausländerbeiräte und Ausländervertretungen. Er hat das Ziel, die politische, rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von deutschen Staatsangehörigen und Ausländern herzustellen. Ausländerbeiräte auf Landes- wie auf Bundesebene sind reine Konsultationsgremien.

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Weitere Informationen zum Thema politischen Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund hier auf diesem Portal.

Schon seit mehreren Jahren gibt es deshalb Flüchtlingsorganisationen, die sich für eine Ausweitung und Festlegung der Rechte und damit auch der Pflichten von Geflüchteten einsetzen. Anders als bei Migrantenorganisationen, die beispielsweise für Wahlrecht eintreten, liegen die akuten Interessen bei den Geflüchteten in anderen Bereichen.

Es geht zunächst um die Anerkennung der so genannten sozialen Menschenrechte, die ihnen auf Grund des rechtlichen Status zum Teil verwehrt bleiben. Vorherrschende Themen der Flüchtlingsorganisationen sind dabei eine Abschaffung der Lager und der Beschränkung der Bewegungsfreiheit erreichen, Arbeitserlaubnisse erlangen und Abschiebungen verhindern.

Die Geflüchteten selber spielen dabei eine wichtige Rolle bei diesen Vorhaben, sind sie doch Experten in eigener Sache. Viel zu oft werden sie jedoch bei politischen Entscheidungen übergangen. Dies wurde erst Anfang 2016 beim Entstehungsprozess des Integrationsgesetzes deutlich, welcher ohne die Beteiligung von Migranten- und Flüchtlungsorganisationen von statten ging. Die so getroffenen Entscheidungen gehen deshalb oft an der Lebenswirklichkeit der Geflüchteten vorbei.

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Nicht nur verbesserte Partizipationsbedingungen, sondern auch zivilgesellschaftliche Initiativen und Engagement für und mit Flüchtlingen soll eine bessere Integration von Flüchtlingen ermöglichen. Weitere Informationen zum Weiterlesen hier auf diesem Portal.

Mit Geflüchteten diskutieren und reden, statt über sie

Ein anderer Ansatz wurde auf der Tagung »Integration heißt Teilhabe«, die von der Stiftung Mitarbeit am 21. und 22. Juni 2016 in Berlin abgehalten und von der Roberto Bosch Stiftung gefördert wurde, verfolgt. Hier stand die Diskussion mit Migranten und Geflüchteten im Vordergrund. In mehreren Workshops und Diskussionen sind dabei Anregungen und Vorschläge herausgearbeitet worden, um die Herausforderung der Integration bewerkstelligen zu können. In einem nach der Tagung veröffentlichten Impulspapier mit dem Titel »Integration braucht Beteiligung – Partizipation und Engagement von und mit Flüchtlingen« sind die während der Workshops erarbeiten Vorschläge zusammengeführt worden.

Dabei wurde deutlich: Flüchtlingsarbeit und die Integration der Ankommenden sind langfristige Aufgaben, die stetig mit Leben gefüllt werden müssen. Hier geht es um Engagement, das alle Einwohner/innen dieses Landes betrifft und über die Aufgaben der humanitären Hilfe und Erstaufnahme weit hinausweist. Es wird darum gehen, dieses Engagement nachhaltig zu unterstützen, neue Kooperationen zu gestalten, sozialverträgliche Perspektiven zu entwickeln und Bürger/innen und Flüchtlinge an wichtigen Entscheidungen zu beteiligen. Erforderlich sind gemeinsam erarbeitete gesellschaftliche wie politische Lösungsvorschläge und neue Formen der politischen Partizipation.

Neben der hier wieder erklingenden Forderung nach gleichberechtigtem Zugang zu »Arbeit, Bildung, Gesundheit, freie Wahl des Wohnorts«, also der schon erwähnten sozialen Menschenrechten, als Grundlage einer gesellschaftlichen Teilhabe und Integration, ist vor allem eine frühe Einbindung in sie betreffende Planungen und Vorhaben ein zentrales Element. Darüber hinaus ist auch die Unterstützung – finanziell und organisatorisch – einer Slebstorganisation der Geflüchteten eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene Integration.

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Die Ergebnisse der Tagung können auf der Seite der Stiftung Mitarbeit eingesehen werden.

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Diesem Ansatz folgt auch das Projekt »Demokratie geht nur miteinander. Partizipation und Integration von Geflüchteten – Initiative zur Qualifizierung und Vernetzung«: Neuzugezogene und Alteingesessene sind Expertinnen und Experten in eigener Sache - es gilt miteinander zu reden, nicht übereinander.

Selbstorganisation von Geflüchteten: Wirkungen und Perspektiven – Gespräch mit Miriam Edding, Stiftung :do, Tagung »Integration heißt Teilhabe« (2016)

Tagung »Integration braucht Beteiligung« – Vortrag von Staatsministerin Aydan Özoguz, Tagung »Integration heißt Teilhabe« (2016)

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Hier finden Sie Kurzprotraits von Initiativen, in denen sich Geflüchtete selbst organisiert haben. Sie übernahmen eine aktive Rolle in »Demokratie geht nur miteinander«. Die Sammlung von Kurzportraits wird laufend weiter ergänzt.

Seite 2: Beispiele für politische Integration

Beispiele für politische Integration

Kommunale Flüchtlingsdialoge

Die Kommunalen Flüchtlingsdialoge, die seit 2016 in Baden-Württemberg gestartet und gefördert wurden, sind dabei ein gutes Beispiel für diesen neuen Ansatz, der Geflüchtete in für sie betreffende Planungen und Vorhaben einbezieht.

Nach einer Herausarbeitung der Problemfelder durch die Kommunen, sollen interessierte Menschen, Geflüchtete und »Einheimische«, zusammengebracht werden, um Informationen, Ideen, Bedenken und Lösungsansätze zu einem zu einem bestimmten Thema auszutauschen. Die hier erarbeiteten Ergebnisse, sollen dann an die Kommunenverwaltung weitergeleitet und bei der weiteren Planung und Umsetzung der Vorhaben berücksichtigt. Viele Fragestellungen kommen aus den Bereichen Bauen & Wohnen, Kindergarten & Schule, Ausbildung & Arbeit, Gemeinschaft & Nachbarschaft, Infrastruktur & Sicherheit. Je nach lokalen Gegebenheiten und Größe einer Kommune können diese Themen auch variieren.

Flüchtlingsräte

Auch Flüchtlingsräte bieten für Geflüchtete und »Einheimische« die Möglichkeit in Flüchtlingsthemen Einfluss auf die Politik und Zivilgesellschaft zu nehmen. Sie sind in der Regel Zusammenschlüsse von Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen, die sich ehrenamtlich mit Flüchtlingen und für Flüchtlinge engagieren. Sie sind lokal oder auf Landesebene organisiert. Sie setzen sich für die Rechte von Flüchtlingen und Menschen mit prekärem Aufenthalt ein. Dafür engagieren sie sich mit Kampagnen, Beratungsarbeit, konkreter Unterstützung von Geflüchteten wie auch durch eine kontinuierliche politische Arbeit. Sie beraten zu und informieren über gesetzliche wie politische Entscheidungen und Zusammenhänge und treten mit verschiedenen Aktionsformen gegen Rassismus ein. Die Landesflüchtlingsräte stellen in vielen Bundesländern ein Netzwerk von Asylarbeitskreisen, Flüchtlingsinitiativen und -räten, Selbstorganisationen und Einzelpersonen dar.

Ein Leitfaden zum Thema kommunale Demokratie

Kommunen und Flüchtlingsinititiven können jetzt den Leitfaden »Demokratie verstehen und mitmachen« des Projekts »Vom Flüchtling zum Bürger und zur Bürgerin« bestellen. Das Projekt ist darauf gerichtet, Flüchtlingen zu vermitteln, dass sie sich einbringen dürfen und sollen und dass auch kritische Meinungen erlaubt sind. Der Leitfaden erläutert die kommunale Selbstverwaltung, das Subsidiaritätprinzip, Eltern und Schülervertretung, Vereine und ehrenamtliches Engagement. Auch Einheimische können darin einiges über lokale Demokratie und Entscheidungsfindung lernen.

Der Leitfaden umfasst 48 Seiten, die Hälfte Deutsch, die andere Hälfte Arabisch. Er kann über Wadi bestellt werden zu einer Schutzgebühr von 50 Cent plus Versandkosten. Zur pdf-Version.

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Der Beitrag von Tina Teucher: »Partizipative Umweltbildung als Beitrag zur Integration geflüchteter Menschen« aus dem eNewsletter des Netzwerk Bürgerbeteiligung berichtet von interessanten Projekten und Erfahrung aus der Arbeit mit Geflüchteten der ANU Bayern e.V. – dem Dach- und Fachverband der Umweltbildungseinrichtungen und Umweltbildner/innen.

Wichtig

Bei allen diesen Vorhaben handelt es sich um gute Ansätze und Projekte, deren Durchführung von großer Bedeutung ist und den Geflüchteten bei ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft unterstützt. Jedoch muss beachtet werden, dass es sich zurzeit meist um regional beschränkte Projekte handelt. Eine Bundesweite Verbreitung solcher und ähnlicher Projekte ist deshalb zu begrüßen und anzustreben, um eine erfolgreiche Integration zu gewährleisten: denn Demokratie lebt von der Teilhabe aller Menschen – unabhängig von Herkunft und sozialem Status – an politischen Rechten und materiellen Wohlstand.