Beschwerdeverfahren

Petitionen an das Europäische Parlament

EU-Bürger/innen und Menschen mit Wohnort in der EU können jederzeit allein oder zusammen mit anderen Personen eine Petition an das Europäische Parlament richten. Eine Petition muss sich auf Angelegenheiten von öffentlichem oder privatem Interesse beziehen, die in den Regelungsbereich der EU fallen – etwa Umweltschutz, freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Anerkennung von beruflicher Qualifikation oder Nicht-Diskriminierung. Außerdem muss die Petentin bzw. der Petent von der Angelegenheit unmittelbar betroffen sein. Auch Unternehmen, Organisationen oder Vereinigungen mit Sitz in der Europäischen Union steht das Petitionsrecht zu.

Zur Einreichung einer Petition sind keine Unterschriftenquoren wie bei einer Europäischen Bürgerinitiative zu überwinden. Allerdings ist es sinnvoll, eine Petition von möglichst vielen Bürger/innen mitzeichnen zu lassen. So unterstützten beispielsweise im Jahr 2012 rund 2,4 Millionen EU-Bürger/innen die Petition gegen das (schließlich gescheiterte) Anti-Produktpiraterieabkommen ACTA.

Jährlich gehen etwa 2.000 Petitionen beim zuständigen Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments ein. Er entscheidet über die Zulässigkeit der Petition und regelt das weitere Verfahren. Die Petition kann beispielsweise an die Europäische Kommission oder an einen Parlamentsausschuss weitergeleitet werden. Generell gilt eine Unverbindlichkeit in Bezug auf die Art und Weise der Bearbeitung von Petitionen.

Europäische/r Bürgerbeauftragte/r

Bürger/innen, Unternehmen oder Organisationen in der Europäischen Union haben seit 1995 das Beschwerderecht beim Europäischen Bürgerbeauftragten. Sie können sich über Missstände in der Amtsführung der Organe, Einrichtungen und Stellen der EU beschweren – allerdings nicht über die Tätigkeit des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) oder nationale, regionale oder lokale Verwaltungen in den EU-Mitgliedsstaaten. Die Bürgerbeauftragte ist laut dem Leitbild bestrebt, die Transparenz und Dienstleistungskultur in der EU-Verwaltung zu fördern. Seit 2013 hat die Irin Emily O'Reilly den Posten inne.

Anders als beim Petitionsrecht des Europäischen Parlaments müssen die Beschwerdeführer/innen nicht persönlich betroffen sein, um die Europäische Bürgerbeauftragte anzurufen. Beschwerden können eingebracht werden, wenn eine europäische Einrichtung die Grundrechte, Rechtsvorschriften und Rechtsprinzipien oder die Grundsätze einer guten Verwaltungspraxis nicht einhält (z.B. Unregelmäßigkeiten, Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Machtmissbrauch, Rückhaltung von Informationen, Nichtbeantwortung von Schreiben, Auskunftsverweigerung).

Beschwerden sollten innerhalb von zwei Jahren nach Kenntnisnahme des Sachverhalts bei der Bürgerbeauftragten eingereicht werden. Die Wahl der Bürgerbeauftragten erfolgt durch das Europäische Parlament. Die Amtszeit ist an die Legislaturperiode gebunden und beträgt fünf Jahre. In einem jährlichen Bericht legt die Bürgerbeauftragte Rechenschaft über ihre Tätigkeit ab.

Beschwerde an die Europäische Kommission

Die Europäische Kommission ist dafür zuständig, die Umsetzung von EU-Richtlinien und Verordnungen zu überwachen. Jede Person, die der Auffassung ist, dass in einem Mitgliedsstaat der EU eine gesetzliche Regelung, eine Vorschrift, ein Verwaltungsakt oder eine staatliche Praxis gegen eine Bestimmung oder einen Grundsatz des EU-Rechts verstößt, kann bei der Kommission Beschwerde einreichen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Regelverstöße auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene stattfinden. Damit die Kommission ihrer Rolle als »Hüterin der Verfassung« gerecht werden kann, ist sie mitunter auf diese Mithilfe der Bürger/innen angewiesen.

Verfolgt die Kommission eine Beschwerde, fordert sie vom entsprechenden Mitgliedsstaat zunächst mehrmals Stellungnahmen ein. Bleiben die Stellungnahmen unbefriedigend, steht der Europäischen Kommission als schärfstes Instrument die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) offen. Das Verfahren zielt nicht auf die konkrete Rechtsdurchsetzung im Einzelfall ab. Der EuGH kann vielmehr ein Bußgeld gegen den entsprechenden Mitgliedsstaat verhängen. Nationales Recht bleibt davon unberührt.

Europäische/r Datenschutzbeauftragte/r

Seit 2001 stellt die unabhängige Kontrollbehörde des Europäischen Datenschutzbeauftragten sicher, dass alle Organe und Einrichtungen der EU bei der Verarbeitung personenbezogener Daten den Schutz der Privatsphäre gewährleisten.

Wenn Bürger/innen der Meinung sind, dass ihr persönliches Recht auf Datenschutz verletzt wurde, können sie beim EU-Datenschutzbeauftragten Beschwerde einlegen. Gibt dieser der Beschwerde statt, führt er eine Untersuchung durch und kann betreffenden Einrichtungen oder Verantwortliche anweisen, widerrechtlich verarbeitete Daten zu berichtigen, zu sperren, zu löschen oder zu vernichten. Er kann außerdem Verwarnungen aussprechen oder den Europäischen Gerichtshof anrufen. Beschwerdeführer/innen können ihrerseits beim Europäischen Gerichtshof Rechtsmittel einlegen, wenn ihre Beschwerde keine Untersuchung durch den Datenschutzbeauftragten nach sich zieht.

Das Europäische Parlament und der Europäische Rat ernennen den Datenschutzbeauftragten für jeweils fünf Jahre. 2019 hat Wojciech Wiewiórowski (Polen) das Amt angetreten.

EU-Verbraucherzentren

Die in den Mitgliedsstaaten eingerichteten EU-Verbraucherzentren bieten Verbraucher/innen rechtliche und praktische Beratung bei grenzüberschreitenden Einkäufen und Dienstleistungen auf dem EU-Binnenmarkt. Man erhält dort kostenlose Hilfe von Expert/innen bei der Schlichtung von Streitfällen oder Rechtstreitigkeiten mit Händler/innen im Ausland.