Risikoanalyse

Besonders in der frühen Phase eines Projekts sollen Sie sich mit seinen Risiken auseinandersetzen. In dem Roman »Der Termin« von Tom DeMarco wird einer der Lehrsätze für gutes Projektmanagement aufgestellt: »Managen Sie Projekte, indem Sie Risiken managen«. Was bedeutet das? Im wirtschaftlichen Bereich sind Projekte häufig mit den folgenden Risiken behaftet: Sie werden zu spät fertig gestellt und kosten zu viel. DeMarco nennt dies »ultimative Risiken« im Sinne von unerwünschten Projektverläufen. Sprechen wir der Einfachheit davon, dass ein Projekt scheitert.

Wie können gemeinnützige Projekte scheitern?

  • Das Projekt verursacht zu hohe Kosten.
  • Das Projekt verläuft im Sande, es erzielt nicht die gewünschte (soziale) Wirkung.
  • Das Projekt treibt Sie in den Wahnsinn und das Engagement macht Ihnen keinen Spaß mehr.

Nehmen Sie auch den letzten Punkt ernst. Im gemeinnützigen Bereich wird Projektarbeit häufig freiwillig oder ehrenamtlich geleistet, oder es werden vergleichsweise niedrige Gehälter gezahlt. Deswegen ist es von großer Bedeutung, dass alle Beteiligten Spaß bei der Arbeit haben und diese als sinnstiftend erleben.
Bei geförderten oder finanzierten Projekten gibt es noch weitere typische Arten des Scheiterns:

  • Sie zerstreiten sich mit einer fördernden Einrichtung oder einem Sponsor. Die Zusammenarbeit wird beendet.
  • Sie leisten zwar erfolgreiche Arbeit (hohe soziale Wirkung), es gibt jedoch keine nachhaltige Finanzierung der Aktivitäten. Das Ende des Projekts ist gleichbedeutend mit dem Ende der Aktivitäten.

Projektbezogene Risiken identifizieren

Das Scheitern eines Projekts kann die Existenz einer Organisation oder Gruppe gefährden. Deswegen müssen Vorstände und Geschäftsführer/innen besonders darauf achten, dass ein solcher Misserfolg nicht eintritt. Die genannten Szenarien des Scheiterns sind aber unspezifisch und treffen auf viele Projekte zu. Projektmanager/innen sollten sich deswegen mit den konkreten Prozessen innerhalb eines Projekts beschäftigen. Wenn Sie befürchten, dass sich ein Projekt als Minusgeschäft erweist, dann sagt das noch nichts darüber aus, aus welchem Grund dies geschehen sollte. Ihre Aufgabe als Projektmanager/in ist es, die projektbezogenen Risiken zu identifizieren und während des Projektmanagements zu berücksichtigen.

Beispiel

Der Verein Sonnenschein e. V. organisiert ein Benefizkonzert, um Spenden für ein Waisenhaus zu sammeln. Das Projektteam kommt zu dem Schluss, dass es ein besonders großes Risiko gibt: Es kommen zu wenig Besucher/innen. Zuerst würde die angestrebte Spendensumme nicht erreicht werden. Weiterhin würde ein Konzert vor leeren Rängen ein schlechtes Bild auf den Verein als Veranstalter werfen. Zuletzt wäre es auch eine unangenehme Erfahrung für Kooperationspartner (die Betreiber des Veranstaltungsortes und eine unentgeltlich auftretende Band).

In der Projektmanagementliteratur werden verschiedene Methoden zur Risikoanalyse vorgestellt. Einige davon sind komplex und basieren auf mathematischen Berechnungen. Im Projektmanagementalltag von sozialen Organisationen kommen diese Verfahren selten zum Einsatz, weil sie zu unhandlich sind. Es ist besser, wenn Sie eine Risikoanalyse mit Ihrem gesunden Menschenverstand und ggf. einem Taschenrechner durchführen, als wenn Sie einfach losarbeiten und gar nicht über Risiken nachdenken. Suchen Sie nach den großen »Knackpunkten«. Vernachlässigen Sie für einen Moment die kleinen, unangenehmen Dinge, die im Verlauf eines Projekts auftreten können. Für diese finden Sie unterwegs eine Lösung.

Erfahrung ist sehr hilfreich, wenn es darum geht, Risiken identifizieren. Sprechen Sie mit Menschen, die schon einmal ein ähnliches Projekt durchgeführt haben. Das können z. B. Ihre Kolleg/innen sein. Stellen Sie diesen Menschen viele Fragen. Lernen Sie von ihnen. Dies gilt besonders, wenn Sie in dem Handlungsfeld des Projekts keine oder wenig Erfahrung haben.

Risiken managen

Wenn Sie die größten Risiken des Projekts identifiziert haben, dann stellen Sie sich die Frage, wie Sie mit diesen Risiken umgehen. Die folgenden Fragen sind dabei hilfreich:

  • Was sind die Gründe dafür, dass das Risiko eintreten sollte? (Ursachen)
  • Wie erfahre ich im Projektverlauf, dass das Risiko eintritt? (Erkennung)
  • Was kann ich tun, um zu vermeiden, dass das Risiko eintritt? (Prävention)
  • Was kann ich tun, wenn das Risiko doch eintritt? (Intervention)

Das Team von Sonnenschein e.V. diskutiert das Risiko, dass zu wenige Leute kommen. Das Resultat könnte zusammengefasst folgendermaßen aussehen:

Ursache

Die Band lockt vielleicht nicht genügend Publikum an. Oder der Veranstaltungsort ist nicht gut erreichbar. Es wusste keiner von dem Konzert. Vielleicht gibt es auch eine Konkurrenzveranstaltung?

Erkennung

»Wir können die Zahl der verkauften Tickets überprüfen. Am besten einmal in der Woche. Wir sollten beobachten, wie die Resonanz auf die Werbung ist, also ob die Infos im Internet aufgerufen und weitergeleitet werden und ob der Veranstaltungshinweis in den Zeitungen erscheint.«

Prävention

»Ein Freund kennt sich mit Konzertorganisation aus – mit dem sollten wir sprechen. Wir brauchen eine gute Band, keine Schülerband. Das Seminarzentrum sollten wir nicht als Veranstaltungsort wählen, sondern die Turbine (lokaler Veranstaltungsort), die liegt zentraler. Wir müssen unbedingt viel Werbung machen über Facebook, Zeitungen, Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir sollten viele Leute auf die Gästeliste setzen, die bringen andere Personen mit!«

Intervention

»Falls wir eine Woche vorher zu wenig Tickets verkauft haben, müssen wir eine Werbeaktion starten. Zum Beispiel auf dem Stadtfest (vier Tage vorher) Leute ansprechen und einladen. Außerdem noch einmal Freunde und Bekannte anrufen und persönlich ansprechen!«

Wenn Sie die oben dargestellten Punkte (Welches Risiko besteht? Ursache – Erkennung – Prävention – Intervention) durchdacht haben, sollten Sie sofort damit beginnen, diese bei Planung und Umsetzung des Projekts zu berücksichtigen. Erfahrene Projektmanager/innen, die über die Prävention von Risiken und Interventionsmöglichkeiten nachdenken, entwickeln einen »Plan B« (oder mehrere): Was tun wir, wenn eine kritische Situation eintritt?

Beispiel

Das Team von Sonnenschein e. V. entscheidet, sich in den nächsten Tagen um die folgenden Dinge zu kümmern:

  • Ein Gespräch mit einem Bekannten führen, der bereits mehrere Konzerte als Veranstalter organisiert hat.
  • Eine Band finden, die viele Besucher/innen anlockt.
  • Einen attraktiven und gut erreichbaren Veranstaltungsort auswählen und reservieren.
  • Werbematerialien und -maßnahmen vorbereiten (Flyer designen, Gespräch mit dem Kulturredakteur der Lokalzeitung führen ...).

Risikoanalyse kostet nur wenig Zeit – und zahlt sich aus!

Wie bereits erwähnt, findet in den meisten Projekten gar keine Risikoanalyse statt. Es wird optimistisch losgearbeitet und die Sache geht gut – oder auch nicht. Häufig haben Projektmanager/innen das Gefühl, im Geschäftsalltag bleibt kein Freiraum für Reflexionsprozesse. Deshalb nehmen Sie sich etwas Zeit für die Risikoanalyse – selbst wenn diese eher pragmatisch erfolgt. Besser »quick and dirty« als gar nicht.

Risikoanalyse zahlt sich fast immer aus – ganz gleich, ob es sich um ein großes oder ein kleines Projekt handelt. Stellen Sie sich einmal vor, Sie widmen zu Beginn eines Projekts eine Stunde der Analyse von Risiken (»Was wäre, wenn ...?«). Dadurch vermeiden Sie am Ende des Projekts einen Verlust von 1.000 Euro oder einen zeitlichen Mehraufwand von 20 Stunden, der dadurch entsteht, dass Sie einen Fehler wieder ausbügeln müssen. Wie viel war diese eine Arbeitsstunde wert?