Stadtteilfonds und Gender Budgeting

Stadtteilfonds

Eine Möglichkeit, über das gängige »Vorschlagswesen« deutscher Bürgerhaushalte hinauszugehen, sind Stadtteilfonds. Die Grundidee ist recht einfach: Ein garantierte Summe öffentlicher Mittel steht bestimmten Bevölkerungsgruppen (etwa den Einwohner/innen eines Stadtteils) für bestimmte Zwecke zur Verfügung. In diesem Rahmen können Vorschläge entwickelt und direkt abgestimmt werden. Schließlich achten die Beteiligten auf die angemessene Umsetzung ihrer Vorschläge oder wirken selbst daran mit. Sie übernehmen damit in einem überschaubaren Rahmen Verantwortung für ihr Quartier und machen dabei die Erfahrung, dass sie mit anderen durch Beteiligung etwas gestalten können. Der Beteiligungsanreiz solcher Fonds kann erheblich sein, da es um die Gestaltung des unmittelbaren Lebensumfeldes geht.

Recife

Am Bürgerhaushalt im brasilianischen Recife beteiligen sich jährlich über 100.000 Einwohner/innen auf Versammlungen und im Internet. Dort stehen zehn Prozent des städtischen Haushalts als »Budget« zur Disposition. Es zeigt sich, dass beteiligungsferne und benachteiligte Milieus mittels aufsuchender Strukturen zur Beteiligung aktiviert werden können. Ärmere Bevölkerungsgruppen stellen in Recife die Mehrheit der Teilnehmenden. Die Stadt Recife führt Kinder und Jugendliche zudem in einem alle zwei Jahre stattfindenden Schülerhaushalt an die Beratung öffentlicher Mittel heran. Die Vorschläge der Schüler/innen zur Gestaltung ihrer Schule und der Stadt werden in den »regulären« Bürgerhaushalt einbezogen.

Berlin-Lichtenberg

In Deutschland werden Budgets punktuell bereitgestellt. Im Berliner Stadtteil Lichtenberg ist der Bürgerhaushalt mit einem sogenannten »Kiezfonds« verknüpft. Durch ihn soll die soziale Stadtentwicklung und das bürgerschaftliche Engagement gefördert werden. Bürger/innen können mit dem Geld aus dem Fonds eigene Projekte vor Ort selbst umsetzen. 2013 standen insgesamt 91.000 Euro für Ideen zur Verfügung, die der Entwicklung des Stadtteils dienen. Eine Bürgerjury entscheidet über die Verwendung der Mittel. Sie ist zu 100 Prozent aus zufällig ausgewählten Bürger/innen zusammengesetzt. Der Kiezfond ist insofern an den Bürgerhaushalt des Bezirks angebunden, als Vorschläge im Bürgerhaushalts-Verfahren, die durch den Fonds realisiert werden können, an die Bürgerjury weitergeleitet werden. Auf diese Weise entstehen zwei Prioritätenlisten: eine für das Quartier, über das die Bürger/innen direkt entscheiden, und eine für die Gesamtstadt. Hier können Bürger/innen Vorschläge einreichen und sie gewichten, aber die Bezirksvertretung entscheidet letztlich. Mit der Einführung von Budgets kann die Attraktivität von Bürgerhaushalten erhöht werden.

Bonn-Neu-Tannenbusch

Der Stadtteilfonds »Soziale Stadt Neu-Tannenbusch« bietet allen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Initiativen, Vereinen und Institutionen in Neu-Tannenbusch die Möglichkeit, für Projekte und Aktionen in den Bereichen Integration, Soziales, Kultur, Bildung, Beschäftigung und Qualifizierung, Sport oder Stadtteilverschönerung eine finanzielle Unterstützung bis zu einem Betrag von 5.000 Euro zu erhalten. Das Quartiersmanagement betreut den Fonds und entscheidet mit der Stadt über die Förderwürdigkeit von Projekten. Die Entscheidung, welche Projekte und Aktionen letztlich unterstützt werden, trifft jedoch eine regelmäßig tagende Jury aus 15 zufällig ausgewählten Bewohner/innen des Stadtteils. Der Fonds wird durch das Förderprogramm »Soziale Stadt« finanziert, in dem Mittel des Bundes, des Landes und der Kommune gebündelt sind. Er ist damit ein Beispiel für Stadtteilfonds, die nicht an die kommunalen Haushaltsberatungen gekoppelt sind.

Gender Budgeting

Ein Haushalt ist sowohl auf der Einnahmen- wie auch auf der Ausgabenseite nicht geschlechterneutral. Um die damit verbundenen unterschiedlichen Perspektiven auf die Verteilung der Haushaltsmittel zu verdeutlichen, wurde das Konzept »Gender Budgeting« als Teilbereich des sog. Gender Mainstreamings entwickelt. Dabei werden alle Teile des Haushalts auf ihre geschlechtsspezifischen Merkmale hin untersucht: Wer profitiert von welchen Ausgaben? Zu wessen Lasten gehen Einsparungen? Es werden etwa Genderinformationen zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder des Empfangs von Sozialleistungen erhoben und eine differenzierte Nutzenanalyse erstellt. Einnahmen und Ausgaben werden dann mit dem Ziel angepasst, die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter durch die Berücksichtigung ihrer jeweiligen Bedürfnisse zu fördern.

Die Bürgerinnen und Bürgern werden durch die entsprechende Aufbereitung der Informationen in die Lage versetzt, qualifizierte Vorschläge für eine geschlechtergerechtere Kommune einzubringen. Auf diesem Weg könnte insbesonders das Interesse der Frauen an Bürgerhaushalten gesteigert werden, ist die Aufstellung kommunaler Haushalte doch bisher vielerorts eine Männerdomäne.

Im Bürgerhaushalt der Stadt Freiburg wird Gender Budgeting in Ansätzen umgesetzt.